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Die Rolle nationaler Parteien für die Politisierung der Europäischen Integration

Fachliche Zuordnung Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2013 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 228518710
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Unser Projekt fragte danach, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen Europa eine politische Streitfrage wird. Dies ist relevant, da einer Streitfrage Sichtbarkeit eingeräumt wird und unterschiedliche Positionen dazu geäußert werden. Gerade der EU wird aber ein Transparenz- und Demokratiedefizit vorgeworfen. Dabei hinterfragen immer mehr Euroskeptiker am linken und rechten Rand des politischen Spektrums die politische Entscheidungsfindung hinter den „geschlossenen Türen“ in Brüssel. Um herauszufinden, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen und wie genau, nationale Parteien und Massenmedien zur Politisierung der europäischen Integration beitragen, untersuchten wir deren öffentliche EU-Kommunikation. Dabei wurde die Parteikommunikation und Presseberichterstattung in den 12 Wochen vor der Europawahl in sieben Ländern (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Niederlande, Österreich und Portugal) mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse analysiert. Unsere Ergebnisse wiesen erstens darauf hin, dass es nicht – wie vermutet – insbesondere die Parteien am linken und rechten Rand des politischen Spektrums sind (Issue Entrepreneure), die EU-Themen auf die politische Tagesordnung setzten und damit den öffentlichen Diskurs anregten. Etablierte Regierungs- und Oppositionsparteien sprachen genauso häufig über EU-Themen – insbesondere dann oder sogar häufiger, wenn sie eine Wahlniederlage hinter sich haben oder sich parteiintern über die europäische Integration einig sind. Erstaunlicherweise animierte eine pro-europäische öffentliche Meinung alle Parteien dazu, die EU zu thematisieren – aus normativer Sicht eine positive Entwicklung. Schaut man sich das Wechselspiel zwischen der Parteien- und der Medienagenda im Großen und Ganzen an, stellten wir im Vorfeld der Europawahl fest, dass Parteien die Themensetzer waren und die Medien die öffentlich kommunizierten Themen der Parteien aufgriffen, und zwar innerhalb einer kurzen Zeitspanne von einem Tag. Im Gegensatz zur gängigen Forschung, besonders im Kontext von (nationalen) Wahlen, zeigten unsere Studien aber auch, dass Medien nicht nur vom Input der nationalen Parteien abhängig waren, sondern auch eine proaktive Rolle spielen konnten. Einerseits waren auch sie Themensetzer. Dies wurde dann deutlich, wenn man die Themenentwicklung ganz spezifischer EU-Themen getrennt voneinander untersuchte (nicht auf der Aggregatdatenebene), was wir in drei Ländern mittels einer innovativen T-Pattern-Analyse gemacht haben. Darüber hinaus vertraten Medien auch EU- Positionen, die gar nicht von der nationalen Elite bedient werden. So waren die Medien z.B. in Portugal viel kritischer gegenüber der EU eingestellt, als die politische Elite. In diesem Zusammenhang zeigten unsere Resultate allerdings auch, dass die EU-Berichterstattung im Nachrichtenteil nicht so neutral war, wie man es eigentlich erwarten würde. Vielmehr fanden sich (synchronisierte) redaktionelle Meinungen zur EU sowohl in den Leitartikeln als auch der Nachrichtenberichterstattung. Bezüglich der Frage nach der Positionierung zu salienten EU-Themen wiesen unsere Ergebnisse darauf hin, dass etablierte (pro-europäische) Parteien als Reaktion auf euroskeptische Herausforderer nicht nur über EU-Themen sprachen, sondern auch an ihrer pro-europäischen Position festhielten. Eine Ausnahme bildeten pro-europäische Catch-all-parties“, die parteiintern in ihrer EU-Position gespalten sind. Diese versuchten in einem ersten Schritt EU-Themen zu meiden und nahmen erst in einem zweiten Schritt euroskeptische oder verschleiernde Positionen an. Der Ländervergleich legte zu guter Letzt dar, dass die Bereitschaft von Parteien über die EU zu sprechen höher ist, wenn die politische Elite in Bezug auf die EU weniger polarisiert ist (z.B. Portugal verglichen mit dem relativ stark polarisierten Großbritannien). Zusammengefasst zeigte unser Projekt, dass eine Politisierung der europäischen Integration, gemessen daran, ob dieselben EU-Themen von Parteien und Medien aufgegriffen und polarisierende Meinungen geäußert werden, in verschiedenen europäischen Ländern stattfindet. Diese Politisierung zeigt sich aber in unterschiedlichem Maße und ist (noch) in keinem Land voll entwickelt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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