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Die Wechselwirkungen zwischen orthodoxer Religion und der Politik im zeitgenössischen Russland
Antragsteller
Privatdozent Dr. Tobias Köllner
Fachliche Zuordnung
Empirische Sozialforschung
Förderung
Förderung von 2013 bis 2016
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 232301589
Seit den 1980er Jahren ist eine Auflösung der sowjetischen Herrschaftsstrukturen zu beobachten, die 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion einen vorläufigen Höhepunkt fand. Von vielen Beobachtern wurden deshalb die letzten Jahre der Sowjetunion und der russische Staat in den Jahren der Präsidentschaft von Boris Jelzin als äußerst schwach charakterisiert. Das wird vor allem am Verlust des Supermachtstatus nach außen und dem Erstarken einer Wirtschaftselite (Oligarchen) im Inneren festgemacht. Mit der Übernahme der Präsidentschaft durch Wladimir Putin (1999) waren aber zunehmend Festigungstendenzen zu erkennen, die auch durch die Schaffung von neuen Herrschaftsstrukturen ergänzt wurden. In der letzten Zeit sind vermehrt Großdemonstrationen und offene Vorwürfe des Wahlbetrugs zu beobachten, welche die Legitimität der bestehenden Ordnung wieder in Frage stellen.Der Fokus im Projekt liegt daher auf dem Wechsel zwischen losen Machtstrukturen und festeren Herrschaftsstrukturen, die in ihrer Prozesshaftigkeit untersucht werden. Dabei wird jedoch ein einseitiger Fokus auf institutionalisierte Herrschaft vermieden. Ein entscheidender Faktor bei der Transformation von Macht und Herrschaft wird in der Religion gesehen, die sowohl eine legitimierende als auch eine delegitimierende Wirkung haben kann. Aus diesem Grund sollen im Projekt die Wechselwirkungen zwischen orthodoxer Religion und Politik im zeitgenössischen Russland erforscht werden. Dabei wird die lokale Ebene aber nicht isoliert, sondern im Zusammenhang zu regionalen, nationalen und globalen Entwicklungen untersucht. Konkret fragt das Projekt danach, welche Rolle der orthodoxen Religion beim Legitimitätsverlust des Sozialismus in den 1980er Jahren zukommt. Ein weiteres Anliegen des Projektes ist die Untersuchung nach dem Einfluss der orthodoxen Religion auf den Konsolidierungsprozess während der Präsidentschaft Wladimir Putins. Lassen sich verschiedene Phasen der Wechselwirkung zwischen Religion und Politik unterscheiden und an welche Bedingungen waren diese geknüpft? Ferner soll im Rahmen des Projektes erforscht werden, wie sich die Vorstellungen und Interpretationen der verschiedenen Gruppen unterscheiden und wie die Ansprüche legitimiert werden. Dabei ist auch von Belang, ob unter den Gläubigen gegenläufige Tendenzen existieren, von welchen Gruppen sie getragen werden und auf welche Vorbilder sich dabei berufen wird. Diese Fragen und Themenkomplexe sollen im Rahmen einer ethnologischen Feldforschung empirisch untersucht werden. Dafür ist die Methodik der teilnehmenden Beobachtung sehr geeignet, die um qualitative semi-strukturierte Interviews ergänzt werden soll. Mit diesem Vorgehen kann dem Prozesscharakter der Transformation von Macht Rechnung getragen werden, da aktuelle Beobachtungen durch subjektive Darstellungen und Erinnerungen ergänzt werden können.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen