Modulierende Effekte emotionaler Worteigenschaften auf frühe Phasen der Wortverarbeitung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Hintergrund der durchgeführten Studien war die Untersuchung und Erklärung früher Effekte emotionaler Worteigenschaften in der visuellen Worterkennung (um 100 ms nach Stimulusdarbietung). Solche Effekte liegen wahrscheinlich vor dem Zeitpunkt im Verlaufe der Wortverarbeitung, zu dem ein Wort identifiziert werden konnte. Die meisten Modelle gehen davon aus, dass erst nach erfolgreicher Identifikation darauf aufbauende, evaluative Prozesse solche emotionale Reaktionen auslösen können. Auch wenn eine schnelle und fast automatische emotionale Verarbeitung stattfinden sollte, kann diese nur schwer ohne einen vorherigen Erkennungs- und Identifikationsprozess gedacht werden. Im Rahmen dieses Antrags wurde daher ein alternativer Erklärungsansatz entwickelt und getestet, die contextual learning Hypothese: Aufgrund vorheriger Lernerfahrungen wurden lexiko-semantische Assoziationen zu emotionalen Inhalten erworben, welche im Verlauf des Worterkennungsprozesses als Trigger für eine beschleunigte Verarbeitung emotional getönter Wörter verarbeitet werden. Um dies zu überprüfen wurden in einer Reihe von Konditionierungsstudien mit dem Evaluative Conditioning Paradigma vorher bedeutungslose Pseudowörter mit emotionalen Eigenschaften verknüpft. Bei der anschließenden Verarbeitung der Pseudowörter unter Ableitung von ereigniskorrelierten Potentialen (EKPs) konnten dann sowohl für positiv-konnotiertes als auch negativ-konnotiertes Material die frühen Effekte nachgewiesen werden (welche nicht ohne diese Konditionierung und auch nicht bei neutralem Material sichtbar sind). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass physische Eigenschaften des Wortbildes zur Entstehung dieser frühen Effekte beitragen, also bereits in die Repräsentation der lexikosemantischen Assoziationen mit eingeschlossen sind. Weitere nicht-emotionale Erklärungsansätze, wie die semantische Kohäsion des assoziierten Materials oder die Vertrautheit mit dem Material konnten in nachfolgenden EKP-Studien ausgeschlossen werden. Die Hauptergebnisse stützen folglich die contextual learning Hypothese. Eine Relevanz erhalten solche Befunde, indem die Erklärung früher emotionaler Effekte in der Worterkennung weg von emotionalen Prozessen während der Verarbeitung hin zu emotionalen Effekten während der Lernerfahrung mit emotionalen Wörtern verschoben wird. Eine Darstellung emotionaler Effekte als Ergebnisse von Lernerfahrungen erscheint als ein fruchtbares Forschungsdesiderat, welches auch auf andere Stimuluskategorien erweitert werden könnte, und ebenso einen möglichen Ansatz für Interventionen darstellt. Gleichzeitig zeigte sich für die Worterkennung, dass die contextual learning Hypothese wenig geeignet ist spätere Emotionseffekte zu erklären, hier muss weiterhin auf die Existenz anderer affektivevaluativer Prozesse verwiesen werden. Während die Frage noch nicht beantwortet werden konnte, welche emotionale Eigenschaft eines Wortes (die Valenz oder das emotionale Arousalniveau) stärker zur Entstehung früher Effekte beiträgt, konnten übereinstimmend in diesen Studien Indizien für Einflüsse interindividueller Unterschiede, gerade auch für das Entstehen früher Effekte, gefunden werden. Eine Untersuchung solcher individuellen Unterschiede zeigt, dass Antwortmuster der Probanden recht stabil sind. Das bedeutet möglicherweise, dass individuelle Unterschiede ein typisches emotionales Reaktionsmuster einer Person darstellen. Diese sollten daher in zukünftigen Studien besser kontrolliert werden, um mögliche Verzerrungen in den Ergebnissen zu minimieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2013). Acquired affective associations induce emotion effects in word recognition: An ERP study. Brain and Language 124(1), 75-83
Fritsch, N., & Kuchinke, L.
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(2014). A familiar font drives early emotional effects in word recognition. Brain and Language, 137, 142-147
Kuchinke, L., Krause, B., Fritsch, N., & Briesemeister, B.B.
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(2015). Evaluative conditioning of positive and negative valence affects P1 and N1 in verbal processing. Brain Research 1624, 405-413
Kuchinke, L., Fritsch, N., & Müller, C.J.
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(2016). Individual differences in emotion processing. APS Convention, Chicago, IL, 26-29 May 2016
Müller, C.J. & Kuchinke, L.
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(2016). Individual differences in emotion word processing: A diffusion model analysis. Cognitive, Affective and Behavioral Neuroscience, 16(3), 489-501
Mueller, C.J., & Kuchinke, L.
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(2017). Electrophysiological correlates of the drift diffusion model in visual word recognition. Human Brain Mapping, 38(11), 5616-5627
Mueller, C.J., White, C.N., & Kuchinke, L.
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(2017). Emotionalität in Bildern und Wörtern. In Die Neuro-Perspektive. Neurowissenschaftliche Antworten auf die wichtigsten Marketingfragen. Hrsg. Benny Briesemeister, Haufe, Freiburg
Müller C.J., Kuchinke, L. & Bestgen, A.K.
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(2017). Neuropsychologische Untersuchungen zu individuellen Unterschieden in Emotionsverarbeitung. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum
Müller, C.J.