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Desynchronized Society? Political Challenges At The Interfaces Of The Social

Subject Area Sociological Theory
Term from 2013 to 2017
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 239393737
 
Final Report Year 2019

Final Report Abstract

Das Projekt hat das Zusammenspiel gesellschaftlicher Teilbereiche aus der Perspektive einer akteurzentrierten Differenzierungstheorie und mithilfe eines qualitativen Forschungsdesigns (Dokumentenanalyse, Expert_inneninterviews, Ethnographien) untersucht. Im Zentrum des Projekts standen drei erkenntnisleitende Forschungsfragen: (1.) Inwiefern treten in der modernen Gesellschaft Desynchronisationsdynamiken auf, bei denen es zu einer zeitlichen Entkopplung verschiedener Teilbereiche kommt? (2.) Inwieweit gerät der politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozess durch Felder wie die Ökonomie oder die Massenmedien unter Druck, die sich durch höhere Operationsgeschwindigkeiten oder divergierende Zeitstrukturen auszeichnen? (3.) Inwiefern gelingt es in der politischen Praxis, dieses Temporalgefälle zu überbrücken, welche individuellen und institutionellen Bewältigungsmechanismen bilden sich an den Schnittstellen zwischen der Politik und ihrer Umwelt heraus, um weiterhin auf Entwicklungen in den Bereichen Wissenschaft, Ökonomie, Massenmedien und biophysische Natur einwirken zu können? Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen wurden Studien zu folgenden Organisationen durchgeführt: Deutscher Bundestag (Politik), Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und Finanzmarktwächter der Verbraucherschutzzentrale (beide Politik/Ökonomie), Bundespresseamt und Bundespressekonferenz (beide Politik/Medien), Deutscher Ethikrat (Politik/Wissenschaft) sowie Greenpeace, BUND und Weltklimakonferenz (alle Politik/biophysische Natur). Im Rahmen des Projektes wurden zwei theoretische Modelle konstruiert, die sich auch für andere Forschungsvorhaben als gewinnbringend erweisen könnten: Zum einen wurde eine Heuristik entwickelt, mit der es möglich wird, den vielschichtigen Zeitfaktor präzise zu operationalisieren, indem zwischen Tempo, Radius, Sequenz und Volumen sozialer Ereignisse differenziert wird. Zum anderen wurde ein Deutungsrahmen entwickelt („AKSA-Modell“), der im Gegensatz zur klassischen Differenzierungstheorie für die sachlichen Kreuzungen und zeitlichen Synchronisationspraktiken gesellschaftlicher Akteurkonstellationen in konkreten Arenen sensibilisiert. Die drei gegenstandsbezogenen Forschungsfragen lassen sich zum Ende der Projektlaufzeit wie folgt beantworten: Die Leistungsproduktionen von politischen, ökonomischen, medialen und wissenschaftlichen Akteuren weisen in zeitlicher Hinsicht eklatante Differenzen auf. Dieser Befund bezieht sich nicht nur auf die Operationsgeschwindigkeit, sondern auch auf die Sequenz, das Volumen und den Radius feldspezifischer Ereignisse. Gleichwohl sind die Akteurkonstellationen sehr viel besser aufeinander eingestellt als dies in der Forschungsliteratur bislang angenommen wurde. In Arenen wie dem Deutschen Bundestag oder der Weltklimakonferenz lässt sich eine überraschend enge sachliche Kreuzung und zeitliche Synchronisation der jeweiligen Leistungsproduktionen (wissenschaftliche Erkenntnisse, politische Entscheidungen, ökonomischer Mehrwert, mediale Nachrichten) beobachten. Der politische Anspruch zur Generierung tragfähiger, kollektiv verbindlicher Entscheidungen wird in der Praxis vor allem durch eine Organisationsform aufrechterhalten, die in der Forschungsliteratur weitgehend unbemerkt geblieben ist. In der Terminologie unseres Projekts handelt es sich dabei um „Hybridorganisationen“. Diese bilden sich an den sozialen Schnittstellen heraus, zielen explizit auf die intermediäre Vermittlung verschiedener Handlungssphären ab und erfüllen damit eine wichtige Funktion bei der (temporalen) Integration ausdifferenzierter Gesellschaften. Allerdings gehen mit dieser Lösung auch Probleme einher: Zum einen sind nicht alle Hybridorganisationen ausreichend für diese anspruchsvolle Aufgabe gerüstet und zum anderen konzentriert sich die Vermittlungsarbeit zumeist auf die Funktionseliten. Selbst wenn es also in der Praxis gelingt, die Entscheidungsträger/innen aus Politik, Ökonomie, Medien und Wissenschaft aufeinander einzustellen, bleibt das gesellschaftliche Publikum weitgehend außen vor. Aus diesem zentralen Projektbefund ergeben sich daher zwei wichtige Anschlussfragen: (1) Inwiefern lässt sich die gegenwärtige Krise der Repräsentation in westlichen Demokratien als Ausdruck gesellschaftlicher Synchronisationsprobleme verstehen? (2) Inwiefern führt die Delegation von Handlungsmacht an supranationale Institutionen wie das Europäische Parlament, die Europäische Zentralbank oder den Europäischen Gerichtshof zu einer Verbesserung oder Verschärfung der für Deutschland beobachteten Synchronisationsprobleme?

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