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Gerechte Sünder. Eine Untersuchung zu Martin Luthers simul iustus et peccator
Antragsteller
Privatdozent Dr. Wilhelm Christe
Fachliche Zuordnung
Evangelische Theologie
Förderung
Förderung von 2013 bis 2014
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 241170392
Die Studie beschäftigt sich mit Martin Luthers berühmter und für seine Theologie zentraler Formel zur Kennzeichnung des Christenmenschen „simul iustus et peccator“. Nach der Einleitung (exemplarische Wirkungsgeschichte, bisherige Erforschung der Formel sowie methodische Prinzipien der Arbeit) untersuchen die beiden ersten Teile ihr Vorkommen und ihre Bedeutung bei Luther. Teil I geht der Verortung des „simul iustus et peccator“ in der Theologie Luthers anhand der Themen Rechtfertigung, Taufe, Buße, Gute Werke, Anthropologie und Gesetz nach. Teil II klärt darauf aufbauend die Bedeutung drei Begriffe der Formel: peccator bzw. peccatum, iustus bzw. iustitia und schließlich simul als deren Relationsbestimmung.Die beiden ersten Teile der Arbeit bestätigen die seit langem in der Forschung angenommenen drei Aspekte der Formel (total, partial, eschatologisch), versuchen aber darüber hinausgehend, sie von Luther her in eine konsistente Verhältnisbestimmung zu bringen. Weiter wird deutlich, dass Luther von der Römerbriefvorlesung (1515/16) an bis zu seinem Lebensende die Formel durchgängig gebraucht bzw. ihre Sache vertritt, wobei eine gewisse Akzentverschiebung (die Formel gewinnt zunehmend den Charakter tröstlichen Zuspruchs) durch den zweiten „Schub“ des reformatorischen Durchbruchs (Februar 1518) festzustellen ist. Als entscheidend für die simul-Formel stellt sich zudem heraus, dass Luther in ihr einen Sündenbegriff zum Tragen bringt, der primär an der Grund- oder Wurzelsünde des Unglaubens bzw. der bösen Begierde (Konkupiszenz) und nicht so sehr an der Tatsünde orientiert ist.Teil III der Arbeit beschäftigt sich mit der heutigen theologischen Vertretbarkeit des „simul iustus et peccator“. Dazu wird zuerst nach dessen biblischem Fundament gefragt. Dabei ergibt sich, dass Röm 7,14-25, Luthers locus classicus für das simul, dafür nicht mehr direkt, sondern (von Röm 7,7 her) nur indirekt in Anspruch genommen werden kann. Dieser Weg einer indirekten Begründung des simul durch Röm 7 lässt sich auch insofern verantworten, als – wie anschließend gezeigt wird – von Gal 5,16f; Mt 5,21f.27f und von 1.Joh her zumindest eine Offenheit für den Sündencharakter der Konkupiszenz bzw. für das „simul peccator“ gegeben ist.Anschließend werden drei systematische Fragenkomplexe geklärt. Erstens: Wie steht es um den Sündencharakter der Konkupiszenz? Ist hier eine interkonfessionelle Verständigung erreichbar? Zweitens: Wie ist es, Luthers simul einmal vorausgesetzt, um die Wirklichkeit der Rechtfertigung bestellt? Besteht der gegen das simul immer wieder vorgebrachte Einwand einer Entleerung oder Minimalisierung der Rechtfertigung zu recht? Und drittens: Wenn das „simul iustus et peccator“ von der evangelischen Kirche und Theologie weiterhin affirmiert werden kann, welchen ekklesiologischen bzw. interkonfessionellen Stellenwert hat eine solche Behauptung dann? Kommt ihr kirchentrennender Charakter zu oder nicht? Die Studie gelangt zu dem Ergebnis, dass der Sündencharakter der Konkupiszenz vertreten werden kann, ohne den Realitätsgehalt der Rechtfertigung zu unterminieren. Diese Position darf aber – nach dem Selbstverständnis der Leuenberger Konkordie – nicht zur Bedingung von Kirchengemeinschaft gemacht werden.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen
