Detailseite
Projekt Druckansicht

Politiken der Anerkennung: Filmische Erinnerungen an Holocaust und Porajmos in Rumänien und der Republik Moldau nach 1990 aus vergleichender Perspektive

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2013 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 241689026
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Nach 1989/90 ist eine Reihe von Spiel- und Dokumentarfilmen entstanden, die von der rumänischen Beteiligung am Holocaust berichten, von der Shoah und Verfolgung von Juden und Jüdinnen wie auch vom Porajmos, der Vertreibung und Ermordung der in Rumänien lebenden Rom*nja. Das Forschungsprojekt hat diese Filme als mediale Knotenpunkte in geschichtspolitischen Diskussionen um Anerkennung der beiden Minderheiten untersucht. Angelegt als relationale, praxistheoretisch orientierte Kulturanalyse verknüpfte die Forschung filmimmanente Analysen mit der Untersuchung von Produktions- wie Rezeptionskontexten. Damit wurde ein Beitrag zur Untersuchung geschichtspolitischer Auseinandersetzungen um den Holocaust in Rumänien und der Republik Moldova geleistet. Während die nach 1989/90 im Kontext der massiven gesellschaftlichen Umbauprozesse viral gewordenen Auseinandersetzungen um nationale Selbstverständnisse und kollektive historische Ankerpunkte bislang meistenteils diskursanalytisch anhand von Presseerzeugnissen sowie Geschichts- und Schulbüchern oder von urbanen Erinnerungspraktiken erfolgten, standen in diesem Projekt Filme im Zentrum einer stärker praxistheoretisch angelegten Untersuchung. Die Analyse von Filmen vermochte zum einen, der Verknüpfung von Narrativen mit (spezifischen) Bildern nachzugehen, zum anderen konnten Entstehungskontexte sowie Diskussions- und Aktivitätsräume rund um Filmproduktionen in den Blick genommen werden. Im Mittelpunkt stand zum einen eine Reihe von Filmen, die den Porajmos dokumentieren, zum anderen Filme über die Shoah, die in Rumänien – wo die Beteiligung am Holocaust lange Zeit geleugnet wurde – für Aufsehen gesorgt hatten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mehrzahl der Filme zwar nicht im engeren Sinne als Erinnerungsfilme bezeichnet werden kann, da sie kaum in einer breiten Öffentlichkeit rezipiert und diskutiert wurden, insofern auch nicht nachhaltig dominante Geschichtsbilder in Frage zu stellen oder zu revidieren vermochten. Dennoch stellen diese Filme Knotenpunkte in sozialen Kämpfen um Anerkennung, vor allem von Rom*nja, wie auch teilweise von Juden und Jüdinnen dar, indem sie in Diskussionsveranstaltungen und bei Ausstellungen ein Forum der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, mit Repräsentationsstrategien und Selbstbildern eröffnen, und zwar auch über unterschiedliche Erfahrungsräume hinweg. Über ihre Funktion als Archiv, virtuelles Denkmal, historisches Dokument und pädagogisches Instrument hinaus stehen die Filme nun in konkreten anerkennungspolitischen Diskussionen als eindrückliche Artefakte und thematische Mittler zur Verfügung. Sie liefern einen Anstoß, die Grenzen nationaler und ethnischer Selbstentwürfe aufzubrechen, konstituieren zudem neue Räume der Zugehörigkeit und liefern damit nicht zuletzt auch Anschlussmöglichkeiten in politischen Auseinandersetzungen für ein offenes Europa.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Porajmos im Bild. Praktiken filmischer Erinnerung und Kämpfe um Anerkennung in Rumänien nach 1989, in: Zeitschrift für Volkskunde, 2020/1, 26-45
    Beate Binder, Roland Ibold
    (Siehe online unter https://doi.org/10.32144/zfvk/2020/01.03)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung