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Sevilla. Texturen der Stadt

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung in 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 242090150
 
In Anlehnung an neuere Diskussionen in Stadtanthropologie, Humangeographie und Stadtsoziologie habe ich in meiner Dissertation Sevilla als ein Sinngefüge konstruiert und untersucht, das die Ebenen der physisch-materialen Umwelt, der Symbolisierungs- und Thematisierungsformen des Alltags, der körperlich-räumlichen Routinen sowie die der zeichenhaften Verdichtungen über die Stadt selbst umfasst. Alle diese Elemente ergeben eine distinkte kulturelle Textur, die sich unter spezifischen historischen Bedingungen gerade hier abgelagert hat und ihre Wirkung zeigt. Um diese „kumulative Textur der Stadt" in ihrer longueduree zu sondieren und zu interpretieren, habe ich mittels unterschiedlichster Methoden einen Quellenkorpus erstellt, der historische und zeitgenössische Dokumente beinhaltet und der im Sinne der flexiblen Herangehensweise der Grounded Theory und mittels diskurstheoretischer Ansätze, welche die Mechanismen der Produktion von Bedeutung erschließen, analysiert und interpretiert wurde. Beobachtungsprotokolle, Filme, Interviewtranskripte, Geschichtsbücher, autobiographische Quellen, Literatur, Plakate oder die Namen von Restaurants und Kindergärten und viele weitere Quellen verweisen als Aussagefragmente auf generative kulturräumliche Muster, welche sich weitaus langsamer wandeln, als ökonomische oder soziokulturelle Transformationsprozesse glauben machen wollen.Die künstlichen Trennlinien, die ich für meine Darstellung in die Texturen Sevillas geschlagen habe, beleuchten die Stadt aus vier Perspektiven. Erstens geht es um ihre zeitlichen Ordnungen oder ihr „Gedächtnis", das ein heterogenes, aber verknüpftes Gewebe ist, das von bestimmten Diskursgemeinschaften und thematischen Strängen dominiert wird. Der zweite Teil fokussiert die „räumlich-soziale Konstitution" der Stadt und beschäftigt sich mit wichtigen Phasen der Stadtentwicklung, mit symbolischen Raumordnungen und überlieferten sozialräumlichen Praktiken sowie mit Formen der lokalen Identifikation. Der dritte Teil handelt von lokal vorherrschenden sozialen und mental-evaluativen Ordnungen, für deren Ausprägung insbesondere die andauernde Dominanz agrarischer Funktionen und die überwiegend regionale Ausrichtung Sevillas als Handelszentrum für sein Umland und als Wohnsitz des Großgrundbesitzes als wirkungsreiche Faktoren hineinspielen. Der vierte und letzte Teil der Arbeit schließlich widmet sich den sevillanischen Formen der Selbst- und Fremdbebilderung und ihren soziokulturellen Bedingungen der Entstehung und der Überlieferung. Die Betrachtung reicht, ausgehend von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich mit der Entstehung einer agrarischen Bourgeoisie sowie dem Kontakt mit den romantisch inspirierten Reisenden aus Mittel- und Nordeuropa ein spezifischer Kontext städtischer Selbstbeobachtung ergab, über die Franco-Zeit und touristische und politische Kontexte des 20. Jahrhunderts bis hin zu gegenwärtigen Formen der Selbstkulturalisierung im Rahmen spätmoderner Gleichzeitigkeiten.Die kulturhistorisch und gegenwartsbezogen argumentierende Arbeit beschäftigt sich in diesen vier Teilen mit den kulturräumlichen Prägungen Sevillas und zeigt auf, wie die historisch sedimentierten Texturen der Stadt nach wie vor als formative Kräfte lokaler Strukturierungen und territorialer Identitäten wirken und bestimmen, wie die Stadt und ihre Bevölkerung sich im Rahmen künftiger nationalstaatlicher, europäischer und globaler Herausforderungen verorten.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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