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Publics and Privacy 2.0The Medial Publics of Social Network Sites

Subject Area Empirical Social Research
Term from 2013 to 2016
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 249172116
 
Final Report Year 2016

Final Report Abstract

Die Veränderung oder die Gefährdung von traditionellen Sphären der „Privatheit“ und der „Öffentlichkeit“ sind in aller Munde, vor allem wenn es um die problematischen Auswirkungen des Internets und neuartigeren Plattformen wie Facebook und ähnlichen Social Networking Sites (SNSs) geht. In den Diskussionen zu den Chancen und Gefahren des so genannten Web 2.0 bemerkt man jedoch recht häufig, dass die ganz konkreten Alltagspraktiken und der spezifische Umgang der NutzerInnen mit Neuen Medien zwar problematisiert, viel seltener aber empirisch beobachtet und erforscht wird. Dieses Projekt hat sich genau diese empirische Analyse zur Aufgabe gemacht. Auch im Kontext so großer Themen wie „Privatheit“ und „Öffentlichkeit“ wurde das Hauptaugenmerkt auf eine qualitativempirische Beobachtung von konkreten NutzerInnenpraktiken in spezifischen Kontexten gelegt. Gegenstand waren die Schreibpraktiken, also die alltägliche Verkettung von Handlungen und Kommunikationen, in denen NutzerInnen je spezifisch Öffentlichkeit und Privatheit herstellen, während sie Neuere Medien nutzen. In der Tat stellte sich heraus, dass das, was in diesen Praktiken jeweils als „privat“ oder „öffentlich“ erscheint, sich zwar in bürgerliche Vorstellungen und Traditionen einbettet, jedoch auch erheblich von Neueren Medien beeinflusst und restrukturiert wird. Es zeigt sich, dass die Öffentlichkeit im Web 2.0 stark von jenen Diskursräumen abweicht, die die bürgerliche Gesellschaft einmal hervorgebracht hat. Öffentlichkeit im Web 2.0 wird einerseits intimer – sie setzt sich als intimisierte Öffentlichkeit über die Vorlieben privater Nutzer zusammen. Gleichzeitig wird Öffentlichkeit im Web 2.0 diskontinuierlicher und schnelllebiger – Themen kochen hoch und ebben genauso schnell wieder ab. Dies hat auch etwas mit der medialen Struktur von Web-2.0-Formaten zu tun. Die listenförmige Anordnung von Inhalten und ihre algorithmische Steuerung führt dazu, dass Themen nur von kurzer Dauer auf der Agenda sind und dass sich Diskurse nicht mehr unbedingt aufeinander beziehen müssen. Privatheit wiederum wird von den Nutzern nicht mehr als eine reine Gegebenheit, ein Rückzugsgebiet oder -raum verstanden, sondern als das Produkt einer Arbeit, durch die man sich der Allgegenwärtigkeit von technischen und unbekannten Beobachtern entziehen kann. Unbestimmte Kommunikationsofferten, wie etwa ironische Postings, dienen dazu, mit dem Problem umzugehen, als private Sprecher in der Öffentlichkeit von Facebook auftreten zu können. Konkret konnte dieses Projekt eine Reihe von Deutungs- und Interpretationsvorschlägen machen, die der Fachöffentlichkeit bereits vorgestellt wurden. Unsere Daten erhärten die These, dass erhitzte Öffentlichkeiten vermehrt mit erkalteten Privatheiten kontrastieren. Darüber hinaus hat sich auch eine bislang zu wenig beachtete Nutzungspraktik von SNSs nachzeichnen lassen, in denen NutzerInnen nicht als naive Exhibitionisten in der vermeintlichen Überwachungslandschaft Neuerer Medien auftreten, sondern als Alltagssekretäre, die einen routinierten und reflexiven Umgang mit der Verwaltung ihrer eigenen Daten und Sichtbarkeit pflegen. Schließlich zeigten sich vor allem auch ironische Schreib- und Kommunikationspraktiken, die eine kreative Bearbeitung des Problems, öffentlich privat und privat öffentlich zu kommunizieren, ermöglichen. Was den Angebotscharakter der Neueren Medien dabei auszeichnet, ist eine konstitutive Unbestimmtheit – die mediale Struktur der untersuchten Plattformen legen den NutzerInnen spezifische Bedingungen auf, die aber in konkreten Fällen kreativ verhandelt werden können. Überraschungen im Projektverlauf und bei den Ergebnissen zeigten sich vor allen Dingen durch den Wandel des Forschungsgegenstandes selbst: Die zunehmende Thematisierung von Big Data und die neuartige Mobilität der Nutzerpraktiken durch den Einsatz von Smartphones hat den Forschungsgegenstand entscheidend verändert.

Publications

  • (2015): Erkaltete Privatheit, erhitzte Öffentlichkeit. Lebensexperimente und politische Teilhabe im Web 2.0, in: Ackermann, Ulrike (Hg.), Selbstbestimmung oder Fremdbestimmung. Soziales Leben im Internet. Humanities Online. Frankfurt am Main, S. 15-35
    Barth, Niklas/Dinah Wiestler
  • (2015): Praktiken des Digitalen: Über die digitale Transformation soziologischer Unterscheidungen, in: Florian Süssenguth (Hg.), Die Gesellschaft der Daten. Über die digitale Transformation der sozialen Ordnung. Bielefeld: transcript, S. 67-92
    Stempfhuber, Martin/Elke Wagner
  • (2016): Erhitzte Öffentlichkeit. Zur medialen Transformation öffentlicher Kommunikation auf Facebook, in: Pop. Kultur und Kritik 2/2016
    Barth, Niklas/Elke Wagner
  • (2016): Intimacy Mobilized. Hook-Up Practices in the Location-Based Social Network Grindr, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 41.1, S. 51-70
    Stempfhuber, Martin/Michael Liegl
    (See online at https://doi.org/10.1007/s11614-016-0189-7)
  • (2016): Kalte Vertrautheiten. Private Kommunikation auf der Social Network Site Facebook, in: Berliner Journal für Soziologie 25.4. S. 459-489
    Barth, Niklas
    (See online at https://doi.org/10.1007/s11609-016-0299-x)
  • Die Medialität der Liste. Digitale Infrastrukturen der Kommunikation, in: Herbert Kalthoff/Torsten Cress/Tobias Röhl (Hg.), Materialität. Wilhelm Fink Verlag: München, S. 343-359
    Wagner, Elke/Niklas Barth
 
 

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