Co-Evolution von bizarren armlosen tRNAs und deren Reifungsenzymen in Enoplea
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im erwähnten Projekt untersuchten wir die kleinsten bisher bekannten tRNAs, die wir im mitochondrialen Genom von "Romanomermis culicivorax" identifizierten. Diese Transkripte sind äußerst ungewöhnlich, da sie stark von der typischen Kleeblatt-Struktur abweichen und weder D- noch T-Arm besitzen. Mit 42 Nukleotiden stellt dabei die tRNA Arg die extremste Form dar, die eine Reduktion um etwa 43% gegenüber der kanonischen tRNA-Länge (73 nt) zeigt. Durch in-line Probing, NMR sowie SAXS Analysen konnten wir eine hairpin-artige Struktur identifizieren, die einen zentralen ungepaarten Bereich trägt, den wir als Connector bezeichnen. Durch dessen Flexibilität können diese Transkripte eine gebogene, Bumerang-förmige dreidimensionale Form einnehmen, die entfernt an die L-Form konventioneller tRNAs erinnert, aber auch zeigt, dass die mit diesen tRNAs interagierenden Enzyme vermutlich spezielle Anpassungen erhalten haben müssen, um diese Substrate noch zu erkennen. Wir konzentrierten uns auf das Zusammenspiel dieser tRNAs mit dem CCA-addierenden Enzym - einem essentiellen Reifungsenzym, das in Eukaryonten sowohl die cytoplasmatischen wie auch die mitochondrialen tRNAs erkennt. Nachdem die armlosen tRNAs eine extreme Abweichung von den bisher bekannten Strukturen darstellen, gingen wir der Frage nach, ob das Enzym aus R. culicivorax zur Erkennung der unterschiedlichen tRNA Pools eine spezielle Anpassung im Lauf seiner Evolution erfahren hat. Interessanterweise ist tatsächlich nur das endogene Enzym aus R. culicivorax in der Lage, eine effiziente vollständige CCA-Addition an diesen armlosen tRNAs zu katalysieren, während andere Enzyme, die nicht mit diesen extrem verkürzten tRNAs co-evolvierten, dazu nicht oder nur in sehr geringem Maße in der Lage sind. Um Enzym-Regionen zu identifizieren, die bei der Substraterkennung eine Rolle spielen, tauschten wir einzelne, immer kleiner werdende Enzymteile zwischen den CCA-addierenden Enzymen aus R. culicivorax und H. sapiens aus. Dabei zeigte sich, dass überraschenderweise nicht die tRNA-bindende C-terminale Domäne entscheidend ist, sondern das N-terminale katalytische Zentrum. Hier konnten wir zwei flexible Bereiche identifizieren, deren Zusammenspiel als Insertionen in einer Enzym-Chimäre diese zur effizienten CCA-Addition befähigt. Dies weist darauf hin, dass vor allem die koordinierte Domänenbewegung, die den Spezifitätswechsel vom CMP zum AMP-Einbau bewerkstelligt, für die armlosen tRNA-Substrate wichtig ist. Offenbar ist das humane Enzym nicht in dem Maße zu dieser Bewegung fähig, wie es für derart kleine tRNAs nötig ist. Die evolutionäre Anpassung im "Romanomermis" Enzym erfolgte also in erster Linie über das korrekte Ausrichten des tRNA-3‘-Endes zur Addition des terminalen A-Restes und nicht - wie ursprünglich erwartet - über die allgemeine Bindung des tRNA-Substrates an die C-terminale Domäne. Zusätzlich konnten wir durch tRNA-Chimären zeigen, dass nicht das Vorhandensein der Kleeblatt-Arme, sondern eher die Gesamtgröße der tRNA entscheidend ist für die Erkennung durch konventionelle CCA-addierende Enzyme wie das des Menschen. Nur das R. culicivorax-Enzym scheint so adaptiert zu sein, dass es sich durch seine Flexibilität die extrem verkürzten tRNAs als Substrate akzeptiert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2014) Biological Evidence for the World’s smallest tRNAs. Biochimie 100, 151-158
Wende, S., Platzer, E.G., Jühling, F., Pütz, J., Florentz, C., Stadler, P.F., and Mörl, M.
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(2018) Small but large enough: structural Properties of armless mitochondrial tRNAs from the Nematode Romanomermis culicivorax. Nucleic Acids Res. 46, 9170-9180
Jühling, T., Duchardt-Ferner, E., Bonin, S., Wöhnert, J., Pütz, J., Florentz, C., Betat, H., Sauter, C., and Mörl, M.