Academic Distinctions. Appointment procedures in settings of disciplinary change
Final Report Abstract
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler positionieren sich tagtäglich selbst und untereinander. Das passiert etwa in Publikationen, auf Websites und Konferenzen oder in der alltäglichen Kommunikation auf Institutsfluren. Eine zentrale, weil besonders folgenreiche Arena der Selbst- und Fremdpositionierung sind Berufungsverfahren. Hier wird das wissenschaftliche Leitungspersonal institutionell legitimiert und in Stellung gebracht. Das Forschungsvorhaben hatte zum Ziel, die entsprechenden Dynamiken der diskursiven Positionierung zu untersuchen. Der Annahme folgend, dass diskursive Selbst- und Fremdpositionierungen besonders offen in Phasen disziplinärer Umbrüche zutage treten, wurde der Untersuchungszeitraum auf die 1960er bis 1980er Jahre gelegt. In dieser Phase kam es besonders in den Sozial- und Geisteswissenschaften zu fachöffentlichen Richtungsstreits. Das Projekt hat sich daher auf zwei geisteswissenschaftliche Disziplinen konzentriert: Geschichtswissenschaft und Germanistik. Das empirische Material des Projekts bildeten Berufungsakten, zu denen der Zugang bereits vor der Antragstellung weitgehend sichergestellt wurde. Berufungsakten inszenieren eine offizielle, organisational ratifizierte und verfahrensmäßig reglementierte Version von Entscheidungsprozessen zur professoralen Rekrutierung und Reproduktion. Vor dem Hintergrund dieser methodologischen Besonderheit erwiesen sich Berufungsakten als überaus ertragreiches Datenmaterial. Disziplinäre Umbrüche und die mit ihnen verbundenen Schulen waren in dem Material jedoch schwerer auszumachen, als zuvor angenommen. Die Datenbasis des Projekts umfasst Berufungsakten zu 145 Verfahren an 16 Universitäten zwischen 1950 und 1985, ein Korpus, das insgesamt über 1500 Dokumente enthält. Für Teiluntersuchungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten wurden aus diesem Sample jeweils Teilkorpora gebildet, die in mehreren Durchgängen kodiert wurden. Auf dieser Materialgrundlage konnte das Projekt zentrale Ergebnisse zu einer Reihe von Aspekten liefern. Dazu gehört, erstens, die besondere, verfahrensmäßig strukturierte Choreographie von Positionierungs- und Bewertungsprozessen, bei der Bewerberinnen und Bewerber zunächst entlang formaler Kriterien vergleichbar gemacht, dann verglichen und schließlich klassifiziert werden. Ein zweites zentrales Ergebnis betrifft die parallel dazu verlaufenden Prozesse der Legitimierung von Entscheidungen, bei denen Aspekte wie die Transparenz des Verfahrens und das black-boxing von Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen. Drittens hat das Projekt Erkenntnisse zu den in Berufungsverfahren mobilisierten Bewertungskriterien ermöglicht. Sie lassen sich in formale, fachliche und organisationale Kriterien unterteilen. Schließlich gehören Einblicke in das Bewerbungsverhalten individueller Bewerberinnen und Bewerber über mehrere Verfahren hinweg zu den zentralen Ergebnissen des Projekts. Das Projekt konnte mit diesen Ergebnissen Beiträge leisten zur Wissenschaftssoziologie, hier insbesondere zur Soziologie wissenschaftlichen Wissens und zur Forschung über akademische Karrieren, sowie zur Soziologie der Bewertung.
Publications
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(2021) Career gatekeeping in cultural fields. Am J Cult Sociol (American Journal of Cultural Sociology) 9 (1) 43–69
Hamann, Julian; Beljean, Stefan
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(2021) Career gatekeeping in cultural fields. Am J Cult Sociol (American Journal of Cultural Sociology) 9 (1) 43–69
Julian Hamann
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2016: „Berufungsakten als Datensorte für die Geschichte der Soziologie“. In: Stephan Moebius und Andrea Ploder (Hg.): Handbuch Geschichte der deutschsprachigen Soziologie. Bd. 2: Forschungsdesign, Theorien und Methoden. Wiesbaden: Springer, 243-255
Julian Hamann
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2017: “Academic evaluation in higher education”. In: Pedro Teixeira und Jung Cheol Shin (Hg.): Encyclopedia of International Higher Education Systems and Institutions. Dordrecht: Springer, Onlinepublikation
Julian Hamann, Stefan Beljean