Adaptive Kompensationsmethoden für komplexe hysterese- und kriechbehaftete Nichtlinearitäten am Beispiel der Festkörperaktorik
Final Report Abstract
Ausgangspunkt des Forschungsprojektes waren die vom ersten Antragsteller im Rahmen seiner Dissertation erarbeiteten und danach weiterentwickelten Off-line-Syntheseverfahren zur Kompensation der komplexen hysterese- und kriechbehafteten Nichtlinearitetäten. Diese Art von Kompensatoren ergibt sich durch Invertierung des systembeschreibenden Modells und wird in der Praxis zur Linearisierung des stark hysterese- und kriechbehafteten aktorischen und sensorischen Übertragungs-Verhaltens aktiver Materialien eingesetzt. Auf diese Weise verbessern sie deren Einsatzpotential in mechatronischen Systemen zur Positionierung, Schwingungsdämpfung und in Ventilantrieben. Da nicht zu jedem möglichen Parametersatz des Modells ein Kompensator existiert, muss die Menge der Parameter auf sinnvolle Weise eingeschränkt werden. Die zulässigen Parameterbereiche lassen sich durch lineare Ungleichungsnebenbedinginigen beschreiben und besitzen somit die Form konvexer Polyeder |6|. Bei diesen Off-line- Verfahren bleiben aber der Einfluss externer Störungen wie beispielsweise Schwankungen der Temperatur und der mechanischen Vorspannung sowie Materialalterung und -ermüdung unberücksichtigt, so dass die Kompensationswirkung einer einmal identifizierten inversen Steuerung mit der Zeit abnehmen kann. In weiterführenden Arbeiten erfolgte deshalb ein Übergang zu On-line-Syntheseverfahren für Kompensatoren. Im Rahmen eines kleineren, von der Universität des Saarlandes geförderten Forschungsvorhabens wurden selbstlernende Identifikations- und Kompensationsverfahren erarbeitet, die eine selbsttätige Anpassung an die spezielle hysteresebehaftete Aktorcharakteristik während des Betriebes, also on-line, ermöglichen. Diese basieren auf der Theorie dynamischer Systeme mit Projektionsmechanismus, die für die On-Iine-Identifikation mit nichtglatten Parameterbeschränkungen weiterentwickelt wurde. Die selbstlernenden Verfahren wurden für eine zeitlich unveränderliche, aber vorab unbekannte hysteresebehaftete Nichtlinearität vom Prandtl-Ishlinskii-Typ umgesetzt und am Beispiel eines piezoelektrischen Positioniersystems im Differenzbetrieb getestet. Die überlagerten komplexen Kriecheffekte und Punktunsymmetrien im Übertragungs verhalten blieben dabei unberücksichtigt. Im ersten Arbeitsschritt des vorliegenden Forschungsvorhabens wurde daher eine Erweiterung des bestehenden selbstlernenden Verfahrens durchgeführt. Dazu wurde ein geeignetes lineares Fehlermodell definiert, das sowohl ein Kriechmodell beinhaltet als auch Punktunsymmetrien berücksichtigt. Darauf basierend wurden die Steuerungsalgorithmen abgeleitet und so modifiziert, dass der Lernprozess robust gegenüber Störungen abläuft. Bei dem selbstlernenden Verfahren geschieht die Modellparameteridentifikation in drei Phasen, deren Ablauf von einem Zustandsautomaten gesteuert wird. Er beginnt mit einer Reset-Phase, in der die für die Parameteroptinnerung benötigte Datenbasis gelöscht wird. Danach folgt in der Aufbau-Phase für eine definierte Zeitspanne deren erneute Erzeugung. Im Anschluss daran werden in der Optimierungsphase mit der bis zu diesem Zeitpunkt erzeugten Datenbasis die Modellparameter optimiert. Somit findet die Modellparameteridentifikation basierend auf enier zeitlich konstanten Datenbasis statt und die zu identifizierende Nichtlinearität ist ebenso als zeitlich konstant anzunehmen. Der Aufbau der Datenbasis in Echtzeit führt aber zu größeren Abtastperioden der zeitdiskreten Systemsteuerung. Dieser Nachteil wurde im zweiten Arbeitsschritt dieses Forschungsvorhabens umgangen. Die Identifikation der Parameter erfolgt nun auf der Basis kontinuierlich gemessener Augenblickswerte des Eingang-Ausgang-Verhaltens des Systems, d.h. basierend auf einer zeitlich lokalen Datenbasis und kann als adaptiv bezeichnet werden. Dies fiihrt einerseits zu einer drastischen Reduzierung des Rechenaufwands pro Abtastschritt, anderseits aber auch zu einer Zeitvarianz des Adaptionsvorgangs. Da bei dern adaptiven Verfahren keine Unterteilung in Einzelphasen nötig ist, kann der Zustandsautornat eingespart werden. Mit einer Stabilitätsanalyse des entwickelten adaptiven Identifikationsverfahrens wurde dieser Arbeitsschritt abgeschlossen. Bekanntlich sind die den Adaptionsverfahren zugrunde liegenden Modelle des realen Übertragungsverhalteus nie ein völlig exaktes Abbild der Wirklichkeit, sondern mehr oder weniger fehlerbehaftet. Im Rahmen des dritten Arbeitsschrittes wurde daher untersucht, wie sich der Einfluss eines additiven, unstrukturierten, arnplitudenbegrenzten Modellfehlers auf die Stabilität und Lernfähigkeit des entwickelten Verfahrens auswirkt. Anschließend wurde das Verfahren so modifiziert, dass seine Finktion auch unter Einfluss solcher Störungen beibehalten wird. Basierend anf dern adaptiven Identifikationsverfahren erfolgte irn vierten Schritt die Implementierung echtzeitfähiger Kompensatoren für zeitvariante komplexe hysterese- und kriech behaftete Nichtlinearitäten. Abschließend wurde im Rahmen des fünften Arbeitsschrittes die Leistungsfähigkeit des entwickelten Verfahrens an einem piezoelektrischen Positioniersystern verifiziert. In der Zukunft wird angestrebt, die adaptiven Identifikations- und Kompensationsmethoden für hochdynamische Anwendimgen zn realisieren. Eine rmögliche Lösung kann auf einer Hardwarerealisierung mit FPGAs (field programmable gate arrays) aufbauen, die die notwendigen Berechrmngen zeitparallel ausführen und so Abtastfrequenzen irn MHz-Bereich ermöglichen. Darüber hinaus sollen die adaptiven Kornpensationsmethoden in anwendungsoptimierte Regelungsstrategien eingebunden werden, um den Einsatz hochdynamischer Aktorsysteme in den Bereichen Feinpositionierung, Ventilsteuerung und Schwingungsdämpfung zu verbessern.
Publications
- Self-Leaming Compensation of Hysteretic and Creep Nonlinearities in Piezoelectric Actuators. In: Proc. llth Int. Conf. New Actuators (2008) Bremen, S. 465-468
Pesotski, D.; Janocha, H.; Kühnen, K.