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Manors and markets in Rhineland, Westphalia and Lippe, 1650-1850

Subject Area Modern and Contemporary History
Agricultural Economics, Agricultural Policy, Agricultural Sociology
Economic and Social History
Term from 2014 to 2022
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 255912480
 
Final Report Year 2022

Final Report Abstract

Menschen müssen jeden Tag essen, um gesund zu bleiben, aber Grundnahrungsmittel, unter denen Getreide das Wichtigste darstellt, werden nur einmal im Jahr geerntet, und nicht jede Ernte gerät gleich umfangreich. Strategien bezüglich des Lagerns und Verkaufens von Getreide zielen darauf, diese Zeitinkonsistenz zwischen Produktion und Verbrauch auszugleichen. Das Verständnis ihrer langfristigen Entwicklung ist von großer Relevanz für die Erklärung des Verschwindens von Hungerkrisen ab dem frühen 19. Jahrhundert und der Ausweitung des Angebots an Grundnahrungsmitteln zur Ernährung der ab dieser Zeit stark wachsenden Bevölkerung. Das gegenwärtige Vorhaben hat fünf meist im Rheinland gelegene Adelsgüter vom späten 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts im Hinblick auf diese Thematik untersucht. Die Getreidewirtschaft als Komplex von Eingängen, Entnahmen und Lagerung stellte einen wesentlichen Bestandteil der Betriebsführung von Rittergütern dar. Dabei entschieden die Betriebe jährlich neu, wie sie das ihnen zur Verfügung stehende Getreide auf Eigenkonsum, Vorrat, Weiterverarbeitung, Löhne und Gehälter, Viehwirtschaft, Unterstützungszahlungen und Verkäufe aufteilten. Dabei zeigt sich, dass alle Güter das Getreide zwar zu den gleichen Zwecken mutzen, ihre Betriebsschwerpunkte sich jedoch stark voneinander unterscheiden. Die vorindustrielle Getreidewirtschaft wies zwei Jahreszeiten auf. In der Phase der Verarbeitung von der Ernte bis Februar war die verfügbare Menge an Getreide gering, so dass das Marktgeschehen von kurzfristigen Schwankungen von Angebot und Nachfrage getrieben wurde. Erst am Winterende verfügten große Anbieter über Getreidebestände, deren Lagerung beziehungsweise Verkauf sie planen konnten; nun folgte die bis zur Ernte dauernde Kommerzialisierungsphase. Dass sich Lagern lohnte, setzte voraus, dass Getreidepreise im Frühjahr und Frühsommer jeden Monat so stark stiegen, dass die Zunahme die Lagerkosten deckte. Auf städtischen Märkten findet sich dieses Muster saisonaler Preise für Weizen schwach ausgeprägt bereits in der Frühen Neuzeit, für Roggen, das Grundnahrungsmittel der breiten Bevölkerung, erst im 19. Jahrhundert. Das Ergebnis impliziert das Vorhandensein von Märkten, die durch Konkurrenz und das Wirken profitorientierter Investoren geprägt sind, und widerlegt eine ältere Forschungsmeinung, die dies für das vorindustrielle Festlandeuropa in Abrede gestellt hat. Die untersuchten Güter zeigten ein sehr heterogenes Lager- und Verkaufsverhalten. Nur das größte Gut wies bereits für das 18. Jahrhundert sowohl hinsichtlich der Weizen- als auch der Roggenpreise ein Muster auf, das im Frühjahr und Frühsommer Lagerkosten zu verdienen erlaubte. Auf den anderen Gütern lohnte sich unterjährige Lagerung nicht. Bezüglich der bisher in der Forschung nicht explizit behandelten überjährigen Lagerung lässt sich für ein Gut zeigen, dass es bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Lagerung von Weizen über das aktuelle Erntejahr hinaus, nicht aber diejenige von Roggen, an Preiserwartungen ausrichtete. Drei Faktoren hemmten die Verbreitung kommerzieller Strategien. Erstens war der Getreideverkauf einiger Güter auf die lokale Unterschicht ausgerichtet. Der Markt war dadurch in lokale Herrschafts- und Machtverhältnisse sowie ihre spezifische moralischen Ökonomie eingebettet. Zweitens konnten die Betriebsverwalter Verkäufe meist nicht selbständig durchführen, sondern mussten sie vom oft abwesenden Besitzer genehmigen lassen. Drittens bewirkten hohe Lagerkosten, dass die Schwelle, bei der Getreidelagerung rentabel war, hoch lag. Nur große und effizient geführte Betriebe konnten deshalb als profitorientierte Investoren agieren.

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