“Future’s Cell”. German Building Exhibitions from 1927 to 1957
Art History
Final Report Abstract
Die gewährte Sachhilfe diente zunächst der Erforschung des Werks des Architekten Paul Schneider-Esleben. Überraschenderweise zeigte sich jedoch eine ungenügende Quellen- und komplizierte Urheberrechtslage, was die Umorientierung des Projekts einleitete. Sie schloss mit der DFG-geförderten Konferenz und Tagungsband "Architektur und Akteure. Praxis und Öffentlichkeit in der Nachkriegszeit" (Heß 2018) ab. Die neue Forschungsstrategie fokussierte auf ein breiter kontextualisiertes Projekt, bei dem der methodische Schritt zu Typologie und Netzwerkforschung gemacht wurde. Thematisch verschob sich die Analyse auf die Bauausstellung in Deutschland als heterotopischen, transnationalen Verbindungsknoten von Akteuren, Werken, Medien und Semantiken einschließlich ihrer Vor- und Entwicklungsgeschichte. Die Forschungsfragen lauteten, wie Bauausstellungen in das Ausstellungswesen seit dem 19. Jahrhundert einzuordnen sind und welche Rolle die Architektur dabei spielt. Welche Typologien bieten sich an, um die bauliche Vielfalt auf Ausstellungen zu ordnen? Welche Akteur:innen sind involviert und verfolgen welche Ziele? Die Habilitationsschrift unter dem neuen Titel "Von der Weltausstellung zur Bauausstellung. Eine Architekturgeschichte großer Ausstellungen 1851-1957" ist das Ergebnis des Projekts, für das in 30 Archiven in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich und in den USA geforscht wurde. 18 ausgewählte Ausstellungen wurden unter dem verklammernden Begriff 'Große Ausstellung' vergleichend thematisch untersucht. Die Unterscheidung der gebauten Architekturexponate in ephemere und permanente Konstruktionen wie Hallen und Paläste, Musterhäuser und sogenannte Hütten brachte das für die Untersuchung notwendige typologische und politische Bezugsverhältnis. Es zeigt sich: Mit wenigen Ausnahmen waren alle Typen zwischen 1851 und 1957 zugegen. Der ephemere oder permanente Palast, der mobile Kolonialbau und das präfabrizierte Musterhaus, das massive Arbeiterwohnhaus und die mobile Baracke des 19. Jahrhunderts migrieren durch die Geschichte großer Ausstellungen bis zur Interbau 1957. Die 'Hütte' - als koloniale Staffage, als Baracke oder als Reformarchitektur - gehört ebenfalls zu diesem Set. Die Kuratoren übernahmen materielle und immaterielle Elemente von Welt-, Industrie-, Kunstgewerbe- und Kolonialausstellungen. Unter den Architekt:innen zeigen sich lange Kontinuitätslinien. Auch eine 'Wertschöpfungskette' innerhalb der Profession zeichnet sich ab: Das Prinzip des 'Architect in Residence' zeigt den Architekten, der für eine große Ausstellung ausgewählt, beauftragt und gefeiert wird und diese Prozesse innerhalb seines Netzwerks mitsteuern kann. Die Studie konnte auch auf der vom Postkolonialismus inspirierten Forschung aufbauen und zeigen, dass sich - ausgehend von den Weltausstellungen - ein räumlicher Bias und eine rassifizierte Raumbildung auf dem Terrain der Bauausstellung ablesen lassen, welches so - über die materielle Begrenzung durch Tore und Zäune hinaus - zu einem begrenzten Raum wird. Im Umkehrschluss zeigt sich, wie sehr Architektur durch gesellschaftliche Ansprüche und Bedürfnisse geformt wird, wenn sie im Brennpunkt der Interessen vieler Akteur:innen steht. Auch der Beitrag von Frauen wird sichtbar: Viele waren Kunstgewerblerinnen und prägten so Bau- und Einrichtungsstile sowie deren sozialen Implikationen mit. Architekturferne Inhalte wie der Kolonialismus werden für die Architekturgeschichte greifbar, wenn Inszenierungen mit Hütten, Geräten, Puppen oder gar Menschen als Teil großer Ausstellungen recherchierbar werden. Anders als oftmals dargestellt sind Bauausstellungen keine lineare Ausstellung von Architekturen in evolutionär aufeinander folgenden Stilformen. Vielmehr sind Bauausstellungen aus den seit 1851 veranstalteten Welt-, Industrie-, Gewerbe- und Kolonialausstellungen und vor allem den Kunstgewerbeausstellungen hervorgegangen und von deren Bautypologie geprägt. Es ging also vielmehr um die Frage, wie in der Massengesellschaft menschenwürdig gewohnt und angemessen konsumiert werden kann - eine Frage, die Bauausstellungen als Forum der Öffentlichkeit bis heute diskutieren. Das Habilitationsverfahren an der TU München wurde am 4. Dezember 2024 erfolgreich abgeschlossen. Die Habilitationsschrift erscheint 2026 im Jovis Verlag Berlin.
Publications
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Paul Schneider-Esleben. Architekt, Ausst.-Kat. Architekturmuseum der TU München, Ostfildern 2015
Andres Lepik & Regine Heß
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International Style, Archittetura funzionale. Weltarchitektur mit Programm, in: Matteo Burioni (Hg.), Weltgeschichten der Architektur. Ursprünge, Narrative und Bilder 1700–2016, Passau 2016, S. 74-77
Regine Heß
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Wohnen in der Nachkriegszeit. Einfamilienhäuser von Paul Schneider-Esleben zwischen Tradition und Moderne, in: Modern wohnen. Möbeldesign und Wohnkultur der Moderne, hg. von Rudolf Fischer und Wolf Tegethoff, Berlin 2016, S. 443-466
Heß, Regine
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Architektur und Akteure.
Heß, Regine (Ed.)
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Vom Akteur im Singular zu den Akteuren im Plural. Architektur und Akteure, 231-248.
Heß, Regine
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Display, Discuss, and Build. Rethinking Postwar Europe, 235-260.
Heß, Regine
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(Re-)Building Nations: Housing Regimes in Postwar Israel and Germany, in: Allweil/Heß, Housing Regimes – New Approaches to a State-Citizen-Relation, kritische berichte, Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, No. 2, Vol. 48, 2020, p. 48-60
Heß, Regine
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Housing Regimes – New Approaches to a State- Citizen-Relation, kritische berichte, Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, No. 2, Vol. 48, 2020
Yael Allweil & Regine Heß
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Deconstructing Nationalist Mindsets in Architectural History and Theory by Questioning the Concept of the Single-Family House, in: Heß/Fuhrmeister/Platzer, Rassismus in der Architektur / Racism in Architecture, kritische berichte, Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, No. 3, Vol. 49, 2021, S. 79-92
Heß, Regine
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Rassismus in der Architektur / Racism in Architecture, kritische berichte, Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, No. 3, Vol. 49, 2021
Regine Heß; Christian Fuhrmeister & Monika Platzer
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Architektur und Konflikt, kritische berichte, Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, Nr. 2, Vol. 51, 2023
Regine Heß (Hrsg.)
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Othering ausstellen. Rassifizierte Raumbildung auf großen Ausstellungen, in: Heß/AG Architekturkonflikt, Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, Nr. 2, Vol. 51, S. 53-66
Regine Heß
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Between Conventional and Experimental.
Hess, Regine; Gitler, Inbal Ben-Asher; Fainholtz, Tzafrir & Allweil, Yael (Eds.)
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Halls, “Huts,” and Houses:. Between Conventional and Experimental, 185-208.
Hess, Regine
