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Die Formierung des Lehnswesens im 12. und 13. Jahrhundert? Worte, Konzepte, Phänomene im gelehrten Lehnrecht und in Königs- und Privaturkunden
Antragsteller
Professor Dr. Jürgen Dendorfer
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2014 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 264932155
Das Lehnswesen prägte herrschaftliche und soziale Beziehungen unter Freien im Mittelalter. Vom König über Bischöfe und Fürsten bis hinab zu einfachen Freien strukturierten in der Lehnspyramide darstellbare hierarchische Lehnsbindungen mittelalterliche Gesellschaften; so lautet eine weit verbreitete, bis in die Schulbücher der Gegenwart nach¬lesbare Ansicht der älteren Verfassungsgeschichte. Eine international in den letzten Jahren intensiv geführte Diskussion stellt diese Bedeutung des Lehnswesens für die früh- und hochmittelalterlichen Reiche nachdrücklich in Frage. Derzeit scheint sogar unklar, ob und gegebenenfalls ab wann es das Lehnswesen überhaupt gab. Für das deutsche Reich glaubt die jüngste Forschung erst für den Zeitraum von 1150 bis 1250 Phänomene zu erkennen, die dem klassischen Lehnswesen sehr nahe¬kommen. Das Projekt will diese durch die jüngste Debatte hervorgetretene Ausbildung des Lehnswesens im Hochmittelalter untersuchen. Hier deutet sich ein noch nicht erforschter Umbruch herrschaftlicher, sozialer und politischer Strukturen an, der in seiner Tragweite bisher nicht abzuschätzen ist. Um diesen Prozess der Formierung des Lehnswesens zu erfassen, fehlt beim derzeitigen, thesenreichen Forschungsstand Grundlagenarbeit. Diesen soll das beantragte Projekt leisten, indem es umfassend die schriftlichen Manifestationen leiherechtlicher Worte, Begriffe und Konzepte zwischen 1150 und 1250 erfasst: sowohl in den weitgehend unbeachteten Texten, den die zu dieser Zeit entstehende Rechtswisssenschaft in Oberitalien zum Lehnswesen verfasste (den Consuetudines feudorum), als auch in den Urkunden, mit denen Lehns¬ver-hältnisse verschriftlicht wurden. Drei eng miteinander verbundene Teilprojekte sollen deshalb klären: 1. ob es in diesem Zeitraum nach Ausweis der schriftlichen Quellen zu einer Formierung des Lehnswesens kam. 2. welchen Einfluss in diesem Prozess der Neukategorisierung sozialer Beziehungen das in den Rechtsschulen Oberitaliens niedergeschriebene Lehnrecht hatte. 3. ob und wenn ja, wie tiefgehend sich bestehende soziale Praktiken der Landleihe durch diesen Prozess veränderten. Um diese Ziele zu erreichen, muss erforscht werden, worin das Lehnrecht im Sinne der neuen Rechtsgelehrsamkeit überhaupt bestand. Dazu ist die Textbasis der Consuetudines feudorum zu sichern, und deren Fortwirken im deutschen Reich zu klären (A). Ferner werden in Zusammenarbeit mit den Monumenta Germaniae historica (München) und dem Computational Historical Semantics-Projekt (Frankfurt) korpuslinguistisch orientierte Analyseverfahren an sämtliche edierten Königsurkunden des 12. und 13. Jahrhunderts angelegt, um den Wandel lehnrechtlicher Bezeichnungen zu erforschen (B). Ergänzend dazu ist anhand von Privaturkunden zu untersuchen, wie im Hochstift Bamberg, einem besonders reich dokumentierten und wegen seiner Königsnähe und Begüterung herausragenden Fall, neue präzisierte lehnrechtliche Konzepte im Alltag der Leihe wirkten (C).
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen