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Die Rolle von Kannabinoid Signalweg in der Kommunikation zwischen Neuron und Glia in Gehirnalterung

Fachliche Zuordnung Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Molekulare und zelluläre Neurologie und Neuropathologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 265488569
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Menschen werden immer älter, die Zahl der Demenzerkrankungen nimmt zu. Welche Faktoren die Degeneration des Gehirns steuern, ist noch weitgehend unbekannt. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass etwa Stress, Akkumulierung von giftigen Abbauprodukten und Entzündungen die Alterung beschleunigen. Umgekehrt gibt es aber auch Mechanismen, die das Gehirn wie ein Bodyguard vor dem Verfall schützen oder defekte Strukturen reparieren. Wir haben nun eine bislang unbekannte Funktion des Cannabinoid 1-Rezeptors (CB1) entdeckt. An den CB1-Rezeptor lagern sich Cannabinoide wie THC – der Wirkstoff des Hanfes – an und Endocannabinoide, die vom Körper selbst gebildet werden. Die Existenz dieses Rezeptors ist auch der Grund für die berauschende Wirkung von Haschisch und Marihuana. Der CB1-Rezeptor hat nicht nur Suchtpotenzial, sondern auch eine schützende Wirkung für die Nervenzellen. In unserer Studie haben wir gezeigt, dass mit steigendem Alter die Menge der im Gehirn natürlich gebildeten Cannabinoide sich verringern. Wenn die Aktivität des Cannabinoidsystems abnimmt, konnten wir ein rasches Altern des Gehirns feststellen. Wir haben daher die Frage gestellt, wie sich eine Erhöhung der Aktivitat des Cannabinoidsystems durch THC auf den Alterungsprozess auswirkt. Wie jedes andere Organ altert auch unser Gehirn. In der Folge nimmt mit zunehmendem Alter auch die kognitive Leistungsfähigkeit ab. Schon lange suchen Forscher nach Möglichkeiten, diesen Prozess zu verlangsamen oder gar umzukehren. Das ist uns in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner bei Mäusen nun gelungen. Diese Tiere haben in der Natur nur eine relativ kurze Lebenszeit und zeigen bereits im Alter von zwölf Monaten starke kognitive Defizite. Wir verabreichten Mäusen im Alter von zwei, zwölf oder 18 Monaten über einen Zeitraum von vier Wochen eine geringe Menge an THC. Danach testeten wir das Lernvermögen und die Gedächtnisleistungen der Tiere – darunter zum Beispiel das Orientierungsvermögen und das Wiedererkennen von Artgenossen. Mäuse, die nur ein Placebo verabreicht bekamen, zeigten natürliche altersabhängige Lern- und Gedächtnisverluste. Die kognitiven Funktionen der mit Cannabis behandelten Tiere waren hingegen genauso gut wie die von zwei Monate alten Kontrolltieren. Die Behandlung kehrte den Leistungsverlust der alten Tiere praktisch wieder komplett um. Wir untersuchten auch Gehirngewebe und Genaktivität der behandelten Mäuse. Die Befunde waren überraschend: Die molekulare Signatur entsprach nicht mehr der von alten Tieren, sondern war vielmehr jungen Tieren sehr ähnlich. Auch die Zahl der Verknüpfungen der Nervenzellen im Gehirn nahm wieder zu, was eine wichtige Voraussetzung für das Lernvermögen ist. Es entstand der Eindruck, die THC-Behandlung habe die molekulare Uhr wieder zurückgesetzt. Bei der Hirn-Alterung spielt die Aktivität der so genannten Mikrogliazellen eine wichtige Rolle. Diese sind Teil der Immunabwehr im Gehirn: Sie spüren zum Beispiel Bakterien auf und verdauen sie, eliminieren aber auch erkrankte oder defekte Nervenzellen. Über Botenstoffe informieren sie zudem andere Abwehrzellen und setzen so eine konzertierte Aktion in Gang, um das Denkorgan zu schützen: eine Entzündung. Mikrogliale Aktivität ist streng kontrolliert, da Entzündungen auch Schäden im gesundem Hirngewebe verursachen. Endocannabinoide spielen eine wichtige Rolle in der Kontrolle der mikroglialen Aktivität. Endocannabinoide entfalten ihre Wirkung, indem sie an CB1 und CB2 Rezeptoren binden. Mikrogliazellen haben jedoch so gut wie keine CB1-Rezeptoren, dennoch reagieren sie auf die entsprechenden Brems-Signale – warum, war bislang ungeklärt. Mit unserer Arbeit konnten wir beweisen, dass die Brems-Signale nicht direkt auf die Gliazellen, sondern über GABAergischen Neuronen wirken. Bei Labormäusen, in denen der Rezeptor bei diesen Neuronen ausgeschaltet war, war die entzündliche Aktivität der Mikrogliazellen dauerhaft erhöht. Im Alter, aber auch bei Demenzerkrankungen wie Alzheimer, bildet das Hirn immer weniger Endocannabinoide. Dadurch kommt es möglicherweise zu einer Art Teufelskreis: Da die neuronalen CB1-Rezeptoren nicht mehr genügend aktiviert werden, sind die Gliazellen fast ständig im Entzündungsmodus. Als Folge sterben weitere Neuronen ab, so dass die Immunreaktion nun noch weniger gebremst wird. Eventuell lässt sich dieser Teufelskreis mit Medikamenten wie Cannabis durchbrechen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Age-related changes in the endocannabinoid system in the mouse hippocampus. Mech Ageing Dev. 2015 Sep;150:55-64
    Piyanova A, Lomazzo E, Bindila L, Lerner R, Albayram O, Ruhl T, Lutz B, Zimmer A, Bilkei-Gorzo A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.mad.2015.08.005)
  • Physiological impact of CB1 receptor expression by hippocampal GABAergic interneurons. Pflugers Arch. 2016 Apr;468(4):727-37
    Albayram Ö, Passlick S, Bilkei-Gorzo A, Zimmer A, Steinhäuser C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00424-015-1782-5)
  • A chronic low dose of Δ9- tetrahydrocannabinol (THC) restores cognitive function in old mice. Nat Med. 2017 Jun;23(6):782-787
    Bilkei-Gorzo A, Albayram O, Draffehn A, Michel K, Piyanova A, Oppenheimer H, Dvir-Ginzberg M, Rácz I, Ulas T, Imbeault S, Bab I, Schultze JL, Zimmer A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/nm.4311)
  • Cannabinoid 1 receptor signaling on GABAergic neurons influences astrocytes in the ageing brain. PLoS One. 2018 Aug 16;13(8):e0202566
    Bilkei-Gorzo A, Albayram O, Ativie F, Chasan S, Zimmer T, Bach K, Zimmer A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0202566)
  • Cannabinoid 1 Receptor Signaling on Hippocampal GABAergic Neurons Influences Microglial Activity. Front Mol Neurosci. 2018 Aug 28;11:295
    Ativie F, Komorowska JA, Beins E, Albayram Ö, Zimmer T, Zimmer A, Tejera D, Heneka M, Bilkei-Gorzo A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fnmol.2018.00295)
 
 

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