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Grenze als Symbol und Ursache kultureller Transformationsprozesse: der traditionelle Medizinsektor in Sansibar

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2015 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 266953613
 
Erstellungsjahr 2024

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Dieses Projekt untersuchte die Integration traditioneller Heilpraktiken in die staatliche Gesundheitsversorgung in Sansibar. Sansibar ist infolge einer politisch-institutionellen Anerkennung des traditionellen Medizinsektors ein besonders aussagekräftiges Beispiel für gegenwärtig in Afrika verlaufende Prozesse der Neubewertung der traditionellen Heilpraxis. Einflussreiche Faktoren waren die Bemühungen des Gesundheitsministeriums (MoH), die traditionelle Medizin zu standardisieren und die Zusammenarbeit mit der internationalen NGO „World Doctors“, um den traditionellen Medizinsektor zu regulieren. Die Forschung fokussierte sich auf die Umsetzung des „Traditional Medicine Policy Act“ und untersuchte, wie diese Maßnahmen die Rolle der traditionellen Heiler:innen und die Governance-Strukturen beeinflussten. Unter dem theoretischen Paradigma des border-crossing wurde erforscht, in welchem Maß traditionelle Heiler:innen in Sansibar als politische, wissenschaftliche und ökonomische Entrepreneure ihre Quellen von Handlungsmacht durch strategische Innovationen und politisches Ausmanövrieren ausschöpfen. Besonderes Augenmerk galt dabei der Bewältigung von nichtübertragbaren Krankheiten (NCDs), insbesondere Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen, die zunehmen, aber wenig erforscht sind. Ferner wurde auch die Instrumentalisierung traditioneller Medizin als Ressource analysiert, mit theoretischen Implikationen für die Anthropologie der traditionellen Medizin, Religion, Heilung und das Leben mit NCDs im Kontext der kritischen globalen Gesundheitsforschung. In der zweiten Forschungsphase wurden Netzwerke von Gesundheitsakteuren, gesundheitssuchendes Verhalten von Patient:innen und Ressourcen im Management von NCDs ethnographisch untersucht. Hierbei wurde die Rolle sozialer, wirtschaftlicher und politischer Bedingungen sowie biopolitischer und ökologischer Faktoren bei der Entstehung von NCDs hervorgehoben. Der Fokus lag auf dem Management von NCDs unter neoliberalen Gesundheitspolitiken, die individuelle Verantwortlichkeit betonen. Geschlechtsspezifische Aspekte wurden untersucht, insbesondere wie sansibarische Frauen die Komplexität des Umgangs mit NCDs bewältigen. Die Forschung beleuchtete die Auswirkungen von Stress und prekären Lebensbedingungen auf Gesundheit, wobei „Lebensstile“ oft durch größere sozioökonomische Faktoren eingeschränkt sind. Zudem wurde das wachsende Bewusstsein für Umweltgesundheitsgefahren, wie unregulierte Pestizidnutzung, und deren Zusammenhang mit dem Anstieg von NCDs untersucht. Die Forschung hob die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes hervor, der menschliche Gesundheit und Umweltfaktoren integriert, um die komplexen Realitäten von NCDs in einkommensschwachen Ländern zu bewältigen. Die Ergebnisse betonen die weitreichenden Implikationen für das Feld Planetary Health, soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheiten sowie die Governance von Umweltgesundheitsfragen durch industrielle Verschmutzung in Ostafrika.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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