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Spektrale Selbstschreiber: Okkulte Kommunikation und Wissenschaft im 20. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 267711960
 
Über das gesamte, lange 19. Jahrhundert hinweg spielten selbstschreibende Instrumente eine zentrale Vermittlungsrolle von Wahrheit und Objektivität. In den Naturwissenschaften und der Technik, aber eben auch im Okkultismus garantierten automatisierte Apparate die mechanisierte Übersetzung zufälliger und unerklärlicher Phänomene in wissenschaftlich analysierbare Kurven. Selbstschreiber objektivierten im Grenzbereich der menschlichen Wahrnehmung flüchtigen Manifestationen sowohl innerhlab der Physiologie wie im Okkulten. Die erste Projektphase zeigte für das 19. Jahrhundert, wie mit der Einführung selbstschreibender Instrumente erstens neue Strategien der Wissensproduktion in wissenschaftlichen wie in okkultistischen Gemeinschaften entstanden und zweitens die Zirkulation dieses Wissens zwischen 'hegemonialen' und 'nichthegemonialen' Kulturen beeinflusst und gestaltet wurde.Innerhalb der zweiten Projektphase werden die Veränderungen und ersetzungen dieser Epistemologie des Selbstschreibens durch informationstechnische und statistische Methoden untersucht. Während die 'graphische Methode' versucht, das Problem der unerklärlichen Phänomene zu lösen, konnten mit den statistischen und elektronischen Medien des beginnenden 20. Jahrhunderts die Grenzen der mechanischen Selbstaufzeichnung verschoben und aufgelöst werden. Diese neue Strategie des Verständnisses okkulter Phänomene ist eng mit der Entstehung sowohl der 'Kontrollgesellschaft' wie der protodigitalen und elektronischen Medien verbunden, in denen die Gesetze der Zirkulation, die Muster der Abweichung, des Fehlers und des Codes die Interpretation okkulter Phänomene bestimmten. Konnten somit nicht nur viele Beschränkungen der graphischen Methode überwunden werden, unterfüttert diese veränderte Funktion des Selbstschreibens zugleich den Aufschwung der 'spektralen Epistemologien' des 20. Jahrhunderts, in die Figuren des Spuks, der geistigen Abwesenheit oder des Irrationalen zentral eingebettet waren. Fokkusiert wird die Untersuchung dieser Zusammenhänge in vier Fallstudien zu: (1) der Entwicklung von Fragebögen und statistischen Analysen durch W. James und Ch.S. Peirce zur Erklärung psychischer, (2) den kybernetischen Studien des Wahnsinns von G. Bateson, (3) der weltweit vernetzten wissenschaftlichen Suche nach außerirdischer Intelligenz sowie (4) den Studien des Linguisten K. Raudive zu okkulten Nachrichten in der elektronischen Kommunikation. Indem diese Fallstudien gleiche statistische und informationstechnologische Strategien zur Überwindung des mechanischen Paradigmas identifizieren, wird zugleich deutlich, wie neue Formen von Irrationalität und Okkultismus fester Bestandteil der modernen Kommunikation wurden. Das Projekt wird zeigen, wie veränderte technische Bedingungen wissenschaftliches und okkultes Wissen gleichermaßen in Medien, Kommunikation und großen Datenmengen generiert und verändert haben.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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