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Probabilistische Inferenz im primären visuellen Kortex
Antragsteller
Professor Dr. Alexander Ecker
Fachliche Zuordnung
Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung
Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270450705
Bereits vor fast 150 Jahren vermutete Hermann von Helmholtz, dass unsere visuelle Wahrnehmung das Ergebnis vieler unbewusster Schlüsse ist (Helmholtz, 1867). Er postulierte, dass unser Gehirn über ein internes, generatives Modell der Welt verfügt, auf dem basierend unser Wahrnehmungsapparat seine unbewussten Schlüsse zieht. Das vorliegende Forschungsvorhaben baut auf dieser Idee auf und untersucht die neuronalen Mechanismen, welche diesem Wahrnehmungsprozess zugrunde liegen. Wir verwenden das mathematische Framework der Bayesschen Statistik, um visuelle Wahrnehmung und Entscheidungsfindung im Gehirn zu verstehen. Unsere Ausgangshypothese ist, dass jede Gehirnregion die A-Posteriori-Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Eigenschaft der Umgebung berechnet, indem sie sensorische Daten (bottom-up, "Likelihood") mit Vorwissen bzw. Erwartungen (engl. "beliefs") zum Zustand der Welt (top-down, "Prior") kombiniert. Da in Verhaltensexperimenten die Erwartungen der Probanden -- z.B. im Hinblick auf die folgende Entscheidung -- von einem Durchgang zum nächsten startk variieren, folgt aus dieser Hypothese, dass neuronale Antworten ebenso variabel sein sollten und diese Variabilität verhaltensrelevante Informationen enthält. Im vorliegenden Projekt operationalisieren wir Erwartungen durch räumliche Aufmerksamkeit in einem Verhaltensexperiment, in dem eine Änderung in einem von zwei visuellen Reizen entdeckt werden muss. Wir erzeugen unterschiedlich starke Variabilität im Aufmerksamkeitsfokus, indem wir die Wahrscheinlichkeit, dass die Änderung links oder rechts passiert, zwischen vollkommen zufällig und vorhersehbar (z.B. immer links) variieren. Als Folge dessen sollte sich auch neuronale Variabilität entsprechend verändern. Um dies zu untersuchen, kombinieren wir Multi-Elektroden-Aufnahmen in V1 von Affen mit mathematischen Modellen neuronaler Populationsaktivität (Gaussian Process Factor Analysis; GPFA). Unser erstes Ziel ist mittels GPFA den Aufmerksamkeitsfokus des Versuchstiers in Echtzeit zu schätzen. Dies erlaubt uns die räumlich-zeitliche Dynamik von Aufmerksamkeit auf neuronaler und Verhaltensebene zu messen. Anschließend werden wir zwei zentrale Vorhersagen der Bayesschen Statistik im Hinblick auf unser experimentelles Paradigma testen: (a) die relative Gewichtung des Priors wenn die Zuverlässigkeit der sensorischen Daten sich verändert, und (b) die zeitliche Dynamik des Aufmerksamkeitssignals für verschiedene stochastische Stimulus-Sequenzen. Letzlich hoffen wir, dass das Bayessche Statistik als normativer Ansatz eine Vielzahl kognitiver Prozesse erklären kann und wir mit unserem experimentellen Ansatz mentale Zustände des Versuchstieres in Echtzeit beobachten können. Neben einem verbesserten Verständnis der Grundlagen visueller und kognitiver Informationsverarbeitung im Gehirn, kann dies möglicherweise helfen, in Zukunft bessere Methoden zur Diagnostizierung bzw. Behandlung neurologischer Erkrankungen zu entwickeln.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen