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Laboratorium des Heils und Verwaltung der Seelen: Pluralität und Pluralisierung des frühmodernen Katholizismus im Kontext der römischen Zensur sakramentaler und devotionaler Werke zwischen 1643 und 1713
Antragsteller
Bruno Boute, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 273676372
Mit diesem Projekt sollen Dynamiken der Pluralität und Pluralisierung in nicht-pluralistischen Gemeinschaften des frühneuzeitlichen Europa erforscht werden. In Anlehnung an die post-Durkheimsche Anthropologie sowie an die Organisationssoziologie richtet sich der Fokus auf religiöse Pluralität innerhalb der frühmodernen Konfessionen: und zwar nicht im Sinne einer marginalen Erscheinung, sondern als wichtigen Makler religiösen wandels auf gleicher Augenhöhe mit dem bisweilen als zentrales Phänomen wahrgenommenen Uniformisierungsdrang. Die religiösen Praktiken und Riten sollen die Fallbeispiele dafür liefern. Der im frühmodernen Katholizismus festgestellte „Orthopractic Turn“, also die Beschäftigung der Autoritäten mit der jeweils korrekten sakramentalen oder devotionalen Praxis, könnte sich namentlich auch als Vertuschungsstrategie des Misserfolgs verstehen lassen, zerreißende doktrinäre Debatte zu schlichten, wie etwa in der Soteriologie, bzgl. der Unfehlbarkeit; der Unbefleckten Empfängnis. Diese „orthopractic turn“, und die dementsprechende Polemiken fanden auch Statt über den Buchdruck. Deswegen liefern sakramentale Traktate, Andachts- und Bruderschaftsbücher, Thesen usw. einen exzellenten Beobachtungsposten um diese Hypothese zu verifizieren. Die Dekaden zwischen 1643 und 1713 bilden die Quintessenz in den Polemiken des Jansenismus, Quesnellianismus, Quietismus usw. Diese Polemiken sind nicht das zentrale Thema, obwohl sie eine Fülle an Information liefern. Es betrifft Praxen, die sich entwickelten in Zusammenhang mit der Buchkultur: die Zensur, mehr spezifisch die hoch instituzionalisierte Zensur der römischen Kongregationen. Die neuere Forschung bewertet die Zensur nicht mehr exklusiv als ein Instrument der Disziplinierung, sondern auch als eine kulturelle und kognitive Praxis. Quellen die im rahmen der Zensur verfasst wurden, bieten also einen besonderen Einblick in Texte bzw. der Redaktion von Texten bzgl. relgiösen Praxen und Riten. Dieser Forschungsansatz bietet, erstens, analytische Vorteile in einem Forschungsprojekt das fokussiert auf die Praxen einer Religion, die Doktrin als Referenz hat. Zweitens liefert er ein reiches Quellenkorpus in den Archiven des hl. Stuhls. Drittens wird so ein zu erforschendes Kollektiv miteinbezogen: Zensoren und (andere) Burokraten in der Inquisition, der Indexkongregation, und anderen Dikasterien der Kurien; also Beteiligten an einer Expertenkultur, die sich verstanden als Verwalter eines monolithischen Katholizismus. In Einklang mit den Prämissen, ist die zentrale Frage dieses Projektes ob und inwiefern die „Bürokraten des Glaubens“ paradoxalerweise die Pluralität und Pluralisierung der frühmodernen Katholizismen fazilitiert oder mit ausgelöst haben. Dementsprechend verortet sich das Habilitationsprojekt (unter Betreuung von Prof. Dr. Birgit Emich, Lehrstuhl Geschichte der frühen Neuzeit, Frankfurt) zwischen Kultur-, Religions-, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen