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Stress und der Abruf transformierter Erinnerungen: zeitliche Dynamik und neuronale Korrelate

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2015 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 274007358
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Erinnerungen durchlaufen über die Zeit hinweg eine neuronale Reorganisation. Insbesondere wird davon ausgegangen, dass im Laufe der Zeit die hippocampalen Beiträge zur Erinnerungen abnehmen und Gedächtnisspuren stärker in neokortikale Areale verlagert werden. Da die bisherigen Hinweise für diese sogenannte Systemkonsolidierung vorrangig aus Nagetierstudien sowie neuropsychologischen Studien mit Patienten stammten, bestand ein Ziel dieses Forschungsprojektes in der Untersuchung der zeitabhängigen neuronalen Reorganisation von Erinnerungen bei gesunden Menschen. Basierend auf vorherigen Studien, die zeigten, dass Stress den Gedächtnisabruf beeinträchtigen kann und dieses Stress-induzierte Abrufdefizit mit einer reduzierten Hippocampusaktivität in Zusammenhang steht, sollte zudem untersucht werden, ob ältere Erinnerungen, die gemäß der Systemkonsolidierungshypothese weniger vom Hippocampus abhängen, entsprechend weniger anfällig für Beeinträchtigungen durch Stress sind. Um diesen Forschungsfragen nachzugehen, lernten Versuchspersonen zunächst eine Reihe von Bildern. Am Folgetag oder aber 28 Tage nach der Enkodierung durchliefen die Versuchspersonen entweder eine Stress- oder Kontrollmanipulation und anschließend einen Rekognitionstest, der neben den alten Bildern, die an Tag 1 präsentiert wurden, und vollständig neuen Bildern auch Bilder enthielt, die den an Tag 1 gelernten Bildern semantisch ähnelten. Durch die Hinzunahme dieser ähnlichen Bilder konnte die Spezifität der Erinnerung geprüft werden. Während des Rekognitionstests wurde die Hirnaktivität mittels fMRT erfasst. Die neuronale Reorganisation von Erinnerungen wurde zunächst nur in der Kontrollgruppe analysiert. Hierbei zeigte sich, dass, wenngleich der Beitrag des Hippocampus als Ganzes zur Erinnerung mit der Zeit abnahm, ein funktionell bedeutsamer Gradient entlang der hippocampalen Langachse bestand. So war spezifisch der anteriore Hippocampus für die Spezifität der Erinnerung bedeutsam, während der posteriore Hippocampus eine eher abstrakte Gedächtnisrepräsentation zeigte. Verglichen zur Testung nach einem Tag zeigte sich bei der Gedächtnistestung nach 28 Tagen im anterioren, nicht aber im posterioren Hippocampus, eine reduzierte Aktivität. Dieses Befundmuster spricht für eine zeitliche Reorganisation von Erinnerungen entlang der hippocampalen Langachse, die mit einer Abnahme der Spezifität von Erinnerungen in Zusammenhang stand. Durch die zusätzliche Nutzung einer motorischen Sequenzlernaufgabe konnte zudem gezeigt werden, dass auch prozedurale Erinnerungen über die Zeit hinweg eine Reorganisation durchlaufen, welche die Einbeziehung frontaler neokortikaler Areale beinhaltet. Bezogen auf Stress-induzierte Veränderungen der Abrufleistung konnte das zuvor berichtete Abrufdefizit nach Stress nicht repliziert werden, weder bei einem 1-tägigen Lern-Test- Intervall noch bei einem 28-tägigen Intervall. Die vorliegenden Befunde liefern bedeutsame Einblicke in die zeitliche Dynamik von Erinnerungen beim Menschen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018) Time-dependent memory transformation along the hippocampal anterior–posterior axis. Nature communications, 9 (1) 1-11
    Hofmann, Jan; Applis, Stefan; Mehren, Rainer
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s41467-018-03661-7)
  • (2016). Stress-induced cortisol hampers memory generalization. Learning & Memory, 23, 679-683
    Dandolo, L. C., & Schwabe, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1101/lm.042929.116)
 
 

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