Imperial vestments: gold embroidered staging of the past. For the first time the imperial vestments can be examined with new methods of study and scientific research, prompted by an epigraphic autopsy which caused justified doubts about the traditional concept and the state of research.
Final Report Abstract
Aus dem Bamberger Domschatz haben sich sechs goldgestickte Gewänder aus dem 1. Viertel des 11. Jahrhunderts erhalten. Sie sind im Diözesanmuseum Bamberg ausgestellt. Da sie als fromme Stiftungen Kaiser Heinrichs II. (973-1024) und seiner Gemahlin Kunigunde (um 980-1033) an ihre Bistumsgründung Bamberg gelten, wurden sie nach der Heiligsprechung Heinrichs 1146 und Kunigundes 1200 zu hochverehrten Reliquien. Diesem Umstand ist es einerseits zu verdanken, dass diese Hauptereignisse ottonischer Textilkunst erhalten blieben. Damit sind die Bamberger Kaisergewänder die ältesten erhaltenen Textilien im Kontext europäischer Herrscher. Andererseits machte diese Nutzung zahlreiche Reparaturen notwendig. Im Spätmittelalter wurden die Goldstickereien aller sechs Bamberger Kaisergewänder aus ihren originalen Trägerstoffen ausgeschnitten und auf neue Seidengewebe appliziert. Nicht nur dabei, sondern auch bei der letzten Restaurierung Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zu teils tiefgreifenden Veränderungen. Zwar gilt diese letzte Maßnahme als Beginn der modernen Textilrestaurierung, aber ihre Intention lag – der Zeit entsprechend – nicht auf der Objektgenese. In erster Linie galt es, ästhetisch ansprechende, schöne Objekte herzustellen, die dem Anspruch „kaiserlicher“ Textilien gerecht werden und zu einer Identitätsbildung im Nachkriegsdeutschland beitragen sollten. Im Rahmen des DFG-Projekts wurden die Gewänder eingehend interdisziplinär untersucht. Ziel war es, die Genese jedes einzelnen Objekts von seiner Entstehung bis zum heutigen Erscheinungsbild zu erarbeiten und dabei auch die unterschiedlichen Transformationsprozesse – sowohl im äußeren Erscheinungsbild als auch in der personellen Zuordnung – als Medien zur Inszenierung des Kaiser- und Heiligenkults zu beleuchten. Ausgehend vom heutigen Erscheinungsbild wurden mithilfe von Materialbefunden, schriftlichen Quellen und unterschiedlichen Methoden die Veränderungen aufgedeckt und die Ursprungskonzeption des 11. Jahrhunderts rekonstruiert. Dadurch gelang eine Einordnung in den Stiftungskontext Heinrichs II. und seine visuelle politische Kommunikation. Insgesamt konnten die Quellen zu den Kaisergewändern bis in die 1950er Jahre aufgearbeitet werden, wobei es zahlreiche Neufunde gab, die zur Neubewertung der Objektgruppe beitragen. Durch die Quellen konnten wichtige Erkenntnisse für die spätmittelalterliche Übertragung, die Verwendung der Kaisergewänder und ihren Umgang im Kontext der Säkularisation gewonnen werden. Zudem waren Einblicke in den Entstehungskontext von den Vorzeichnungen bis zur arbeitsteiligen ausgeführten Stickerei möglich, die nahelegen, dass die Goldstickereien in einer abendländischen, wohl mobilen Werkstatt im Gefolge Heinrichs II. entstanden. Vor allem die Analyse der Vorbilder belegte eine freie Kombination von Motiven unterschiedlicher Kulturkreise. In allen Jahrhunderten standen die Goldstickereien in der Bewertung der Textilien über den kostbaren byzantinischen Seidengeweben, auf denen sie gearbeitet wurden. Deren Musterung trat hinter ihre Farbigkeit zurück, die den Glanz des Goldes unterstützte. Neben dem Reliquienstatus war es dieses Material, das für die Erhaltung der Objekte von Bedeutung war. Während die originalen Seidengewebe nur noch unter den Goldstickereien erhalten sind und ansonsten im Spätmittelalter entsorgt wurden, wurden den Stickereien bei der spätmittelalterlichen Übertragungskampagne größte Aufmerksamkeit zuteil. Dabei ist bemerkenswert, dass bei den Reparaturen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts fast ausschließlich männliche Sticker beauftragt wurden. Erst im 17. Jahrhundert wurden Arbeiten an Ordens- und Hausfrauen übergeben. Der interdisziplinäre Austausch mit dem KDWT, dem Epigrafischen Forschungs- und Dokumentationszentrum der LMU, der Inschriftenarbeitsstelle an der BAdW, der Abegg-Stiftung Riggisberg, dem Bayerischen Nationalmuseum München und dem Kunsthistorischen Museum Wien sowie der Hertziana in Rom und dem DFG-Netzwerk „Zwischen Präsenz und Evokation“ trug zur Weiterentwicklung kunsthistorischer und epigraphischer Methoden bei.
Publications
- Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung. Technologische, naturwissenschaftliche und kunsthistorische Untersuchungen der Bamberger Kaisergewänder. In: Restauro (5/2016) 48-53
Tanja Kohwagner-Nikolai, Sibylle Ruß und Ursula Drewello
- ISMAHEL ORDINAVIT versus HOC CESARIS DONVM. Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung mit widersprüchlichen Inschriften? In: Vergesellschaftete Schriften, Beiträge zum internationalen Workshop der Arbeitsgruppe 11 am SFB 933, hg. v. Ulrike Ehmig (Philippika 128) Wiesbaden 2019, 197-218
Tanja Kohwagner-Nikolai
(See online at https://doi.org/10.2307/j.ctv1dwpzwt.13) - Der Einfluss des Fremden. Die textilen Inschriften der Bamberger Kaisergewänder – ein Zwischenbericht. In: Über Grenzen hinweg – Inschriften als Zeugnisse kulturellen Austauschs. Beiträge zur 14. Fachtagung für mittelalterliche und frühneuzeitliche Epigraphik in Düsseldorf 2016, hg. v. Helga Giersiepen und Andrea Stieldorf. Paderborn 2020, 105-135
Tanja Kohwagner-Nikolai
(See online at https://doi.org/10.30965/9783657703135_007) - Kaisergewänder im Wandel – Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung. Rekonstruktion der tausendjährigen Veränderungsgeschichte. Regensburg 2020
Tanja Kohwagner-Nikolai
- Textile Inschriften und Inschriften auf Textilien. Ein Leit-Faden (Forschungsmaterialien und ‑beiträge der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1) hg. vom Ausschuss „Deutsche Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit“. München 2021
Tanja Kohwagner-Nikolai
- Über Stoff – Liturgische Gewänder und ihre Inschriften. In: Über Stoff und Stein: Knotenpunkte von Textilkunst und Epigraphik. Beiträge zur 15. internationalen Fachtagung für mittelalterliche und frühneuzeitliche Epigraphik, hg. v. Tanja Kohwagner-Nikolai, Bernd Päffgen und Christine Steininger. Wiesbaden 2021, 24-41
Tanja Kohwagner-Nikolai
(See online at https://doi.org/10.13173/9783447116978.024)