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Prozessuale Verteidigung durch Geheimnisverrat - Zur Rechtfertigung des beschuldigten "Berufsgeheimnispflichtigen" (gem. § 203 Abs. 1 StGB) bei Offenbarungen zu Lasten unbeteiligter Geheimnisträger

Subject Area Public Law
Term from 2015 to 2016
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 276887526
 
Der Untersuchung beginnt mit einer dogmatisch-methodischen Grundlegung: Es wird ein Modell prozeduraler Strafrechtsbegründung (funktional-diskurstheoretisch nach v.a. Habermas) dargestellt. Mit Blick auf zu klärende Fragen von Rechtsgüterschutz und Erlaubnissätzen rundet eine diskursethische Positionierung den Abschnitt ab. Im 2. Teil wird das Schutzziel des § 203 StGB untersucht. Nach ausführlicher Darstellung der Geschichte des Geheimnisschutzes wird das Thema Rechtsgüterschutz grundsätzlich behandelt: Einer Skizze des status quo der Diskussion folgt die eigene Erarbeitung des Rechtsguts mit Rücksicht auf Freiheits- und Autonomiegedanken der Verfassung. Zu § 203 werden sämtliche Rechtsgutsbestimmungen kritisch beleuchtet: Unter Heranziehung v.a. viktimodogmatischer Aspekte und der Täterkreisbeschränkung wird als Schutzgut das individuelle Interesse an dem aktiv-formellen Aspekt der Privatheit identifiziert.Der 3. Teil betrifft die Erlaubtheit des Geheimnisverrats des Beschuldigten. Nach normtheoretischer Einordnung der Rechtfertigungsgründe wird der aggressive Notstand genauer Betrachtung unterzogen, denn er bildet nach ganz hA den Rechtfertigungsgrund für die interessierenden Fälle. Die Legitimationsgrundlagen des Notstandsrechts werden in Auseinandersetzung mit dem (von Rawls' inspirierten) klugheitsorientierten Solidaritätsgedanken unter notwendiger Heranziehung ergänzender soziologischer Thesen unter diskurstheoretischer Prämisse entwickelt. Ergebnis: der Notstand bietet keinen tauglichen Rechtfertigungsgrund für den geheimnispflichtigen Beschuldigten.Unter konkurrenzrechtlichen Gesichtspunkten wird geklärt, ob neben der Notstandslösung andere Erlaubnisnormen in Betracht kommen können (dies ist der Fall). Die berufsrechtliche Regel § 18 Abs. 3 BNotO ist jedoch nur Strafbefreiungsgrund.Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe sind unter Zugrundelegung des erarbeiteten Rechtsverständnisses - entgegen ganz hM - nicht akzeptabel. Zur Absicherung des Ergebnisses werden diese Rechtfertigungsgründe dennoch beleuchtet: Eine mutmaßliche Einwilligung des Geheimnisträgers ist (praktisch selten) denkbar; die Heranziehung des Gedankens der "Wahrnehmung berechtigter Interessen" (insb. Eset) verspricht keinen Erfolg; Dies sowohl wegen der "Analogiefeindlichkeit" des § 193 StGB als auch der Ungeeignetheit der Methode, strafprozessuale Rechte gegen materiellrechtliche Unterlassungspflichten "auszuspielen" - [Bohnert und Sieber). Diesbezüglich bildet den letzten Schwerpunkt die Frage, ob die Beschuldigtenstellung in einem Strafverfahren mit den mit ihr verbundenen Verfahrensrechten zur Begründung von Rechtfertigung fuhren kann. Eine rollen theoretische Analyse der Beschuldigtenstellung ergibt, dass in den interessierenden Fällen ein Rückgriff auf die Beschuldigtenrechte zur Rechtfertigung der tatbestandsmäßigen Geheimnisoffenbarung nicht möglich ist.
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