Von mesomeren Betainen zu anionischen N-heterocyclischen Carbenen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
N-Heterocyclische Carbene haben sich seit der Entdeckung des ersten stabilen und lagerfähigen Beispiels durch Arduengo zu nicht mehr wegzudenkenden Verbindungen in der Organischen, Metallorganischen, Anorganischen und Katalytischen Chemie entwickelt. Um ihre Eigenschaften quantifizieren zu können, wurden in den letzten Jahren verschiedene Methoden entwickelt, die auf unterschiedlichen Herangehensweisen beruhen und unterschiedliche Parameter messen. In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch Ramsden und Oziminski die sogenannten CREF-Werte vorgeschlagen, die quasi Gasphasen-Ionisierungspotentiale sind und als Maß dafür gelten sollen, wie leicht sich N-heterocyclische Carbene aus Vorläufermolekülen bilden können. Bisher fehlten experimentelle Untersuchungen, um die CREF-Werte auf Relevanz in der Chemie der N-heterocyclischen Carbene überprüfen zu können. Wir schlugen deshalb Modellsysteme vor, die einen breiten Bereich an von uns berechneten CREF-Werten umfassen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Klasse der mesomeren Betaine, d.h. derjenigen Verbindungsklasse an Heterocyclen, die sich ausschließlich durch dipolare mesomere Strukturen beschreiben lassen; ihre Deprotonierung mit Basen liefert anionische N-heterocyclische Carbene. Die Chemie mesomerer Betaine ist durch ihren Konjugationstyp bestimmt. So unterscheidet man beispielsweise konjugierte von kreuzkonjugierten Systemen. In den letztgenannten liegt eine strikte Ladungstrennung zwischen den kationischen und anionischen Molekülbauteilen nach den Regeln der Mesomerie vor. Als logische Konsequenz ist auch die Ladungsvertielung innerhalb der resultierenden anionischen N-heterocyclischen Carbene unterschiedlich. Wir synthetisierten deshalb die anionischen N-heterocyclischen Carbene von Sydnonemethiden, von denen vor unserer Arbeit lediglich ein Beispiel des Vorläufermoleküls in der Literatur beschrieben worden war. Diese Carbene zeigen extrem hochfeldverschobene 13C-NMR-Resonanzfrequenzen und lassen sich mit Schwefel und Selen, organischen Säurechloriden und Metallen abfangen. Anionische Carbene des Imidazolium-4,5-dicarboxylats sind im Unterschied zu den Sydnonmethiden kreuzkonjugiert. Uns gelangen die Bildungen von Selenonen zum Studium der π-elektronischen Eigenschaften und von Quecksilber- Gold-, Iridium, Rhodium und Palladiumkomplexen. In Fortsetzung dieser Arbeiten stellten wir Imidazolium-pyrrolide dar, bei denen die Ladung über die 4-Position des Imidazolium in sein π-System delokalisiert wird. Weitere Modellverbindungen sind Serien an Imidazolium-N-Yliden, die wir ebenfalls in-situ in anionische N-heterocyclische Carbene überführen und beispielsweise als Selenone abfangen konnten. Letztlich gelagen uns die Synthesen eines 4,7-Methanoisoindoliums als Modellverbindung. Ein Vergleich der o.a. Parameter für die Charakterisierung der elektronischen Eigenschaften dieser außergewöhnlichen Carbene legt nahe, dass es sich um mittelstarke bis starke σ-Donoren mit teilweisen π-Donoreigenschaften handelt, deren Stärke vom Molekültyp und dem Substitutionsmuster abhängt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Suzuki–Miyaura Cross-Couplings under Acidic Conditions. Synthesis, 52(06), 882-892.
Pruschinski, Lucas; Lücke, Ana-Luiza; Freese, Tyll; Kahnert, Sean-Ray; Mummel, Sebastian & Schmidt, Andreas
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Sydnone Methides—A Forgotten Class of Mesoionic Compounds for the Generation of Anionic N‐Heterocyclic Carbenes. Angewandte Chemie International Edition, 60(34), 18882-18887.
Mummel, Sebastian; Lederle, Felix; Hübner, Eike G.; Namyslo, Jan C.; Nieger, Martin & Schmidt, Andreas
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Sydnone Methides: Intermediates between Mesoionic Compounds and Mesoionic N‐Heterocyclic Olefins. European Journal of Organic Chemistry, 26(18).
Mummel, Sebastian; Lederle, Felix; Hübner, Eike G.; Namyslo, Jan C.; Nieger, Martin & Schmidt, Andreas
