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Michelangelos "teste divine" - Idealbildnisse als "exempla" der Zeichenkunst

Subject Area Art History
Term from 2006 to 2007
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 27809775
 
Michelangelos hochvollendete, von den Zeitgenossen als „teste divine“ gerühmte Idealbildniszeichnungen sind Gegenstand der Untersuchung. Die Rekonstruktion ihrer Provenienzgeschichte und die Analyse ihrer Strichbilder gibt erstmals Aufschluss über die Authentizität und die ursprüngliche Funktion dieser Werke. Mit Blick auf die in Florenz um 1500 praktizierte Zeichenlehre wird offensichtlich, dass es sich um Musterzeichnungen handelte, nach deren Vorbild die Empfänger der Blätter neben dem praktischen auch ein theoretisches Verständnis von Michelangelos Kunstschaffen gewinnen sollten. Während der Künstler seine von höchster Präzision und emotionaler Intensität bestimmte Zeichentechnik zumeist als Äquivalent seiner lyrischen Sprache nutzte, sollte sie im Fall der teste allein zugunsten ihrer Selbstreflexivität wirksam werden. Die Bildniszeichnungen machen den Akt des Zeichnens selbst zum Thema und dokumentieren Michelangelos neoplatonisch aristotelisches imitatio-Konzept. Sie spiegeln sein Ideal von der durch Inspiration und Imagination geleiteten Formfindung und ihrer möglichst bruchlosen Umsetzung. Die von antiken und literarischen Vorbildern geprägten weiblichen teste fügen sich in den Kanon der zahlreichen Frauenbildnisse, die um 1500 als Verkörperungen einer idea delle bellezze zur Darstellung kamen. Michelangelos maniera, die den Betrachter der teste durch schöne Fremdheit oder aber, im Ausnahmefall, auch durch hässliche Verzerrung in Staunen versetzt, hält bewusst, dass diesen Werken das Streben nach Erkenntnis der Urbilder zugrunde liegt. Der furor des Meisters machte aus den Musterbildnissen Kunstexperimente, die zu Recht als Gründungswerke des Manierismus erkannt werden.
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