Detailseite
Projekt Druckansicht

Dualität - ein Archetypus mathematischen Denkens

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2016 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 279002986
 
Dualität tritt in der modernen Mathematik in vielfältiger Weise und unterschiedlichen Kontexten auf. Man könnte von einem Grundmuster (Archetypus) mathematischen Denkens sprechen (vergleichbar der Analogie und der Symmetrie); eine brauchbare allgemeine Definition des Begriffes und einen systematischen Überblick seiner Verwendungen gibt es nicht. Das geplante Forschungsvorhaben möchte diesen Archetypus historisch erschließen. Dualitäten traten (oft unter anderem Namen wie Polarität oder Reziprozität) schon früh in der Theorie der Polyeder (Euklid El. Buch XV, Keplers "Weltharmonie" Bücher II und V) und in der sphärischen Geometrie (in Gestalt des Polardreiecks) auf. Ausgehend von der projektiven Geometrie ab ca. 1810 wurde Dualität dann vor allem im 20. Jh. zu einem weit verbreiteten Phänomen (s.u.). Die Frage, worauf sie beruhe und wie sie abzusichern sei, war neben dem Parallelenproblem ein frühes und wichtiges Initialproblem für die Entstehung einer Metamathematik. Trotz dieser großen Bedeutung fehlt bisher eine umfassende historische Untersuchung zur Dualität in ihren vielen Ausprägungen sowie ihren Anwendungen z.B. in Physik und Statik. Diese Lücke möchte das beantragte Projekt schließen. Insbesondere sollen Auftreten und Rolle von Dualität in der Entwicklung folgender Felder untersucht und verglichen werden: 1 Polyedertheorie; 2 sphärische und projektive Geometrie; 3 Logik und boolesche Algebra; 4 algebraische Topologie (Poincaré, Alexander); 5 Vektorraumtheorie und Funktionalanalysis; 6 Gruppentheorie (Pontrjagin); 7 Kategorientheorie und Anwendungen z.B. in der algebraischen Geometrie. Grob fallen diese in drei Perioden (bis ca. 1880 (1, 2), ca. 1880-1945 (3-6), ab ca. 1945 (7)), die nach unserer Auffassung drei unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Mathematik mit jeweils charakteristischen Methoden und Grundlagenauffassungen, aber auch jeweils anderen Formen der Wissensverbreitung entsprechen, die wir in Bezug zum Kristallisationskern "Dualität" erforschen möchten. Die Ergebnisse des international ausgerichteten Projekts sollen in Form mehrerer Dissertationen, eines Sammelbandes, eines Quellenbandes und einer Datenbank vorgelegt werden. Innovativ am beantragten Projekt ist zunächst die interdisziplinäre Breite der angestrebten Gesamtschau von terminologiegeschichtlichen und bibliometrischen bis hin zu wissenschaftstheoretischen Aspekten. Ferner zeichnet es sich dadurch aus, dass es nicht um eine mathematische Theorie, einen Begriff oder dergleichen geht, die Untersuchung also nicht, wie in bisherigen Beiträgen zur Begriffsgeschichte der Mathematik meist der Fall, im Rahmen eines ausgewählten mathematischen Teilgebietes stattfinden kann. Meist war und ist unscharf von Dualität als einem "Prinzip" die Rede; wir hingegen möchten sie als einen Archetypus mathematischen Denkens fassen und damit der mathematikhistorischen und wissenschaftstheoretischen Forschung sowie allgemein dem Nachdenken über Mathematik neue Horizonte eröffnen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Schweiz
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung