Detailseite
Projekt Druckansicht

Rekonstruktion eines Paläo-Seesystems am UNESCO Weltkulturerbe Tsodilo Hills, Kalahari, Botsuana: MIS3 und MIS2 Ökosystemdynamik und Klima-, Witterungs- und Umweltvariation, abgeleitet von Sedimentationsprozessen und Bioindikatoren

Fachliche Zuordnung Physische Geographie
Förderung Förderung von 2015 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 281420578
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die spätquartäre Ökosystemdynamik des Paläo-Seesystems (Paläo-See Tsodilo) am UNESCO Welterbe Tsodilo Hills, in der nord-westlichen Kalahari, Botsuana, wurde rekonstruiert und Ressourcen und Risiken für die Lebensgrundlagen der dort seit mindestens einhunderttausend Jahren lebenden menschlichen Populationen abgeschätzt. Mit Hilfe eines breiten methodischen Portfolios konnte in interdisziplinärer Zusammenarbeit (Fernerkundung, Geomorphologie, Sedimentologie und Geochemie, Paläontologie, Geophysik) herausgefunden werden, dass der Paläo-See Tsodilo ebenfalls seit mindestens einhunderttausend Jahren existiert und während dieser ältesten identifizierten Phase mehr als doppelt so ausgedehnt und tief war wie zuvor angenommen. Während dieses Seespiegelhochstands entwässerte der See über den von uns erstmals erkannten und benannten Tamacha Fluss in den Okavango. Ein solcher exorheischer Zustand ging mit Süßwasser-bedingungen einher und konnte für ca. 40 ka und 20 ka (Letztglaziales Maximum = LGM) ebenfalls gezeigt werden. Prinzipiell sind vier Seezustände für Ressourcen und biologische Risiken der Steinzeitmenschen zu unterscheiden. Der exorheische Zustand erlaubte das Einwandern von Fischen aus dem Okavango. Fischknochen-reiche Kulturschichten wurden von Archäologen für Perioden um ca. 40 ka und 20 ka beschrieben. Ein perennierender Süßwassersee versorgte aber nicht nur die Menschen, sondern erhöhte die Risiken durch Elefanten oder Raubtiere. Die Menschen müssen signifikant mit Malaria und Bilharziose infiziert gewesen sein. Während der endorheischen See-phasen versiegte der Fischfang und das Bilharziose-Risiko erhöhte sich. Ein ephemerer See-Zustand verringerte weiter die Ressourcen, aber auch die Risiken. Die geringsten Ressourcen, aber auch Risiken gab es während der Phasen in denen kein See existierte. Da die heutigen Sommerniederschläge nicht einmal ausreichend für einen saisonalen See sind, haben wir am Beispiel des LGM-Seehochstands erforscht, woher die Niederschläge stammten. Dafür haben wir zuerst die aktuelle Niederschlagsverteilung im südlichen Afrika modelliert und konnten die Sommerniederschlagszone in eine westliche, zentrale und östliche Zone unterteilen. Die drei Zonen unterscheiden sich signifikant in der Niederschlagsverteilung und in der Isotopie der Niederschläge. Feuchtigkeitstrajektorien wurden mithilfe des Verfahrens der Lagrangeschen Diagnostik berechnet. Diese Ergebnisse wurden für die Interpretation von sklerochronologischen Isotopenmustern LGM-zeitlicher Molluskenschalen benötigt. Die Molluskenschalen stammen aus den Tsodilo-See-Ablagerungen und aus drei (semi-) fossilen Flusssystemen, die in einem Korridor von der nord-westlichen in die südliche Kalahari liegen, so dass insgesamt ein LGM-Transekt von ca. 1000 km zur Verfügung stand. Die Isotopendaten zeigen, dass der Paläo-See Tsodilo während des Letztglazialen Maximums von Sommer- und Winternieder-schlägen gesteuert wurde, mit einer Dominanz der Winterniederschläge. Da die Feuchtigkeit der Winterniederschläge mit dem Westwindsystem transportiert wird, muss das Westwindsystem während des LGM mindestens 1000 km weiter nördlich als heute gelegen haben. Der Paläo-See an den Tsodilo Bergen war mit seinen mehrfachen Wechseln, in teils sehr unterschiedliche Zustände, bis hin zum Verschwinden des Sees, sehr dynamisch. Dass Steinzeitmenschen dennoch seit mindestens hunderttausend Jahren mehr oder weniger permanent an und auf den Tsodilo Bergen lebten, hatte wohl weniger mit dem See zu tun als mit den Bergen selbst. Diese boten im Vergleich zum Okavango-Uferbereich besseren Schutz vor Elefanten und Raubtieren und versorgten über Quellen die Menschen mit Trinkwasser, auch wenn kein See vorhanden war. Die Berge werden auch heute noch als Ausguck für jagdbares Wild genutzt und sind tektonisch sehr viel ruhiger als das Okavango-Grabensystem, welches zudem durch immer wieder auftretende katastrophale Überschwemmungen gekennzeichnet ist. Die hunderttausend Jahre oder länger andauernden sozialen Interaktionen an den Tsodilo Bergen lassen es als möglich erscheinen, dass die Entwicklung des modernen Menschen dort einen großen Schritt vorangegangen ist. Unsere interdisziplinären Geländearbeiten an den Tsodilo Bergen werden in der ZDF Terra.X-Doku „Die Vermessung der Erde“ veranschaulicht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung