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FOR 2448: Evidenzpraktiken in Wissenschaft, Medizin, Technik und Gesellschaft
Fachliche Zuordnung
Geisteswissenschaften
Agrar-, Forstwissenschaften und Tiermedizin
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Agrar-, Forstwissenschaften und Tiermedizin
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Förderung
Förderung seit 2017
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282210851
Die Forschungsgruppe untersucht als interdisziplinärer Verbund von geistes- und sozialwissenschaftlichen Projekten Evidenzpraktiken in der Wissensgesellschaft als Aushandlungsprozesse um die Gültigkeit von Wissen. Ausgehend von der Beobachtung, dass Evidenz zu einer zentralen und deshalb umkämpften Ressource für die Gewährleistung des gesellschaftlichen Zusammenhalts geworden ist, konzentrieren wir unsere Untersuchungen auf die Verknüpfung der Erzeugungs- und Verwendungsweisen von Evidenz. In der ersten Förderphase haben wir einzelfallübergreifend eine Reihe konkreter Evidenzpraktiken ermittelt, die in Bezug aufeinander oder in Abgrenzung voneinander aufgeführt werden. Dabei trat auch immer wieder die Kontingenz von Evidenz hervor, wenn neue Wissensbestände oder Problemlagen etablierte Gewissheiten in epistemischer oder sozialer Hinsicht destabilisierten. So entstand jeweils auch ein neuer Restabilisierungsbedarf, um die Garantieinstanzen von Evidenz zu rehabilitieren oder neue herzustellen. Hier knüpft das Forschungsprogramm für die zweite Phase an. Wir werden untersuchen, in welchen konkreten Formen sich De- und Restabilisierungsprozesse zeigen und welche Dynamiken daraus für die epistemische, die normative und die institutionelle Ordnung erwachsen. Dafür analysieren wir die de- und restabilisierenden Implikationen von Verwissenschaftlichungen, (Be)Wertungen und Institutionalisierungen. Während für eine Gruppe von Projekten die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft als Institution selbst im Fokus steht, untersucht die andere Gruppe verschiedene Vermittlungs- und Anwendungsfelder, in denen steigende Nachfrage nach gesellschaftlich anerkanntem Wissen neue Praktiken der Generierung, Vermittlung und Verwendung von Evidenz hervorbringt. Wir werden die hermeneutischen und empirischen Kompetenzen der beteiligten Fächer nutzen, um unsere mit den drei Analysedimensionen gewonnenen Befunde transdisziplinär auszuwerten. Im Zusammenhang damit wird die Forschungsgruppe neue gemeinsame Perspektiven zur Konstitution und Veränderung spätmoderner Wissensgesellschaften erschließen. Dazu fragen wir erstens nach den Faktoren und Treibern von Evidenzkritik: Wer stellt Evidenz mit welchen Mitteln und welchen Geltungsansprüchen infrage? Zweitens untersuchen wir Evidenzkulturen – auch und gerade jenseits disziplinärer Grenzen. Drittens wollen wir verstehen, in welche übergreifenden Evidenzregime das Herstellen und Auflösen von Evidenz eingebettet ist. Unsere Arbeitshypothese ist, dass demokratisch verfasste Wissensgesellschaften sich auf die Vorläufigkeit von Evidenz einstellen (müssen) und Evidenzpraktiken damit zunehmend reflexiv werden. Unsere Forschungsgruppe leistet damit einem Beitrag um jene sozio-epistemischen Veränderungen zu verstehen, die seit dem gesellschaftlichen Epochenbruch der 1970er Jahre sichtbar werden. Sie trägt zur Kontextualisierung und Historisierung zeitgenössischer Diagnosen eines vermeintlich „postfaktischen Zeitalters“ bei.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Projekte
- Augenscheinlich exzellent? Evidenzpraktiken in der Aufbereitung wissenschaftlicher Forschung und Biographien für die Beantragung von ERC Starting und Consolidator Grants (Antragstellerin Müller, Ruth )
- Die De- und Restabilisierung von Evidenz in der Coronakrise (Antragstellerinnen / Antragsteller Bilandzic, Ph.D., Helena ; Dickel, Sascha ; Gadebusch Bondio, Mariacarla ; Kinnebrock, Susanne ; Müller, Ruth )
- Die Evidenzkultur der Citizen Science. Normierung, Evaluierung und Kontrolle partizipativer Forschung (Antragsteller Dickel, Sascha ; Wenninger, Andreas )
- Die Kritik an der Evidenzbasierten Medizin und die Diversifizierung medizinischer Evidenzpraktiken (Antragstellerin Gadebusch Bondio, Mariacarla )
- Die Risikoindustrie. Evidenz für Sicherheit als neues Forschungs- und Geschäftsfeld in der Bundesrepublik in den 1960er bis 1980er Jahren (Antragstellerin Zachmann, Karin )
- Die Rolle der Moralisierung in der Interpretation von ernährungswissenschaftlicher Evidenz (Antragstellerin Roosen, Jutta )
- Evidenzpraktiken an der Schnittlinie von Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Öffentlichkeit: Die Debatte um das Anthropozän (Antragsteller Trischler, Ph.D., Helmuth )
- Evidenzregime lokaler und internationaler Pestizideinsätze. Die Auseinandersetzungen um Schädlingsbekämpfung im Globalen Süden in den 1960er bis 1980er Jahren (Antragsteller Trischler, Ph.D., Helmuth )
- Koordinationsfonds (Antragstellerin Müller, Ruth )
- Wirkungspotentiale von narrativer Evidenz in der Berichterstattung über Genforschung (Antragstellerinnen Bilandzic, Ph.D., Helena ; Kinnebrock, Susanne )
Sprecherin
Professorin Dr. Ruth Müller, seit 7/2023