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Alltag im Krieg jenseits von Kollaboration und Widerstand: Sport und Gewalt in den von Deutschland besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs in Ost- und Westeuropa
Antragstellerin
Professorin Dr. Anke Hilbrenner
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282942337
Sport war während des Zweiten Weltkriegs in den von Deutschland besetzten Gebieten ein Mittel zur Durchsetzung einer gewaltsamen Herrschaftspraxis. Er stabilisierte eine fragile soziale Ordnung in Ost- und Westeuropa, die auf militärischer Überlegenheit und einem menschenverachtenden rassistischen Welt- und Menschenbild beruhte. Diese transnational umgesetzten Wertvorstellungen wurden ebenfalls mittels des Sports ideologisch konstruiert und immer wieder neu ausgehandelt. Unter den Bedingungen von materieller Zerstörung, fundamentalem Mangel an Ressourcen, der Etablierung einer rassistisch hierarchisierten Gesellschaft und der Repression bis hin zum Massenmord ermöglichte der Sport für Besatzer und Besetzte die Erfahrung einer zum Teil sehnsüchtig erhofften Normalität. Sport entfaltete dabei einen Eigensinn. Im Zuschauersport aufzutreten konnte zudem für bessere Versorgung und andere Privilegien inmitten von Hunger und Angst sorgen. Sport beeinflusste den Alltag im Militär und trainierte die Soldaten. Zugleich war er ein Ort für abweichendes Verhalten, für Protest und Subversion. So wirft die Untersuchung sportlicher Praxis ein Schlaglicht auf die Vielstimmigkeit der Erfahrungen in Krieg und Besatzung. Das Projekt zielt auf die Rekonstruktion des Kriegserlebens jenseits der Kategorien von Kollaboration und Widerstand. Mithilfe des Sports soll die Alltagserfahrung aus der Perspektive aller beteiligten Akteure in den Blick genommen werden. So wird die Besatzung während des Zweiten Weltkriegs als transnationale europäische Erfahrung untersucht und die nach wie vor wirkmächtige Trennung europäischer Kriegsgeschichte in Ost- und Westeuropa überwunden. Weil das Projekt das Ziel verfolgt, west- und osteuropäische Erfahrungen in ein Forschungsvorhaben zu integrieren, sind die Fallstudien thematisch und transnational in spezifischen Grenzräumen Ost- und Westeuropas angelegt. Die eine Fallstudie bezieht sich auf Sport im deutsch-französischen Grenzraum (Elsass), die andere untersucht Sport in Oberschlesien. Dabei werden mithilfe der Alltags-, der Ideen- und der Neuen Politikgeschichte die besonderen Bedingungen der Besatzung in den transnationalen Grenzräumen ausgeleuchtet. Nicht nur der zu untersuchende historische Raum ist transnational, sondern auch die europäische Erinnerungsgemeinschaft. Deshalb formiert sich die Projektgruppe mithilfe der Mercator-Fellows (aus Polen, Frankreich und Großbritannien) über nationale Grenzen hinweg. Mithilfe von Doktorandenworkshops, sowohl in Deutschland, als auch in Frankreich und Polen, strahlt die Projektgruppe in die unterschiedlichen nationalen Communities aus und transzendiert solcherart nationale Erinnerungsgemeinschaften gerade mit Bezug auf das wichtige und sensible Thema Besatzung jenseits von Kollaboration und Widerstand.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen