Detailseite
Projekt Druckansicht

Naimas (1655-1716) Hofchronik - Eine narratologische Analyse der sinnstiftenden Funktion osmanischer Geschichtsschreibung

Antragstellerin Dr. Gül Sen
Fachliche Zuordnung Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 289665156
 
Gegenstand des Vorhabens ist die historisch-kritische Einordung der osmanischen Hofchronik Tarih-i Naima - unter besonderer Berücksichtigung der narrativen Strategien als integralen Bestandteilen des Aussagemodus. Ohne eine gattungstheoretische Verortung und erzähltheoretische Erschließung des Werkes, das als ein Schlüssel zum Verständnis der gesellschaftlichen und ereignisgeschichtlichen Entwicklung des Osmanischen Reiches im 17. und 18. Jahrhundert gilt, ist eine historisch-kritische Einordnung kaum möglich. Deshalb soll diese Hofchronik erstmals und zuallererst als literarisches Zeugnis untersucht werden, statt als neutrale Quelle von Daten und Fakten zu dienen. Damit wird der Fokus auf die Transformationen von `story´ zu `narrative´ gerichtet, mittels derer Historiographie überhaupt erst als Mittel der Sinnstiftung erkennbar wird. Zu diesem Zweck werden neuere literaturwissenschaftliche Methoden in Kombination mit der historisch-kritischen Methodologie herangezogen. Während die kulturwissenschaftliche Literaturwissenschaft hilft, den Text in seinem gesellschaftlichen Kontext, samt der zeitgenössischen Diskurse und kulturellen Codes, zu verstehen, werden die narrativen Strategien des Textes durch die Zuhilfenahme narratologischer Kategorien herausgearbeitet. Das umfangreiche Werk bietet reichlich Material für eine systematische Analyse. Ausgehend von dieser Analyse lässt sich die Funktionalität des Textes hinsichtlich der Fragen von historischem Denken, von Strategien zur Bewältigung von Kontingenzerfahrungen und der (De)legitimation von Herrschaft erschließen. Nur durch eine detaillierte systematische Aufschlüsselung des Textes können weitergehende Absichten (Sinnstiftung) dieser Chronik über ihren vordergründigen historiographischen und offiziellen Zweck hinaus entschlüsselt werden. Die Untersuchung erfolgt in drei Analyseetappen: Das Werk wird (a) gattungstheoretisch in seinem historischen Kontext verortet, (b) narratologisch erschlossen und seine Kompilationstechniken ausgeleuchtet, sowie (c) seine sinnstiftende Funktion unter historiographischen und narratologischen Fragestellungen analysiert. Aufgrund der Schlüsselstellung des Textes für die Frühphase des Genres osmanische Hofchronik bietet sich eine systematische Analyse an, da dieses Werk trotz seiner zentralen Bedeutung als Quelle für die beschriebene Epoche bisher noch nicht als literarischer Text betrachtet wurde, und seine sinnstiftende Funktion noch gar nicht ins Auge gefasst worden ist. Die soziopolitische Verortung der Chronik auf der Grundlage narratologischer und gattungstheoretischer Analysen führt einerseits zu einer Neubewertung von Naimas Werk und leistet andererseits einen grundlegenden Forschungsbeitrag zur osmanischen Mentalitätsgeschichte. Darüber hinaus bietet sie eine exemplarische Verknüpfung von vormoderner Historiographieforschung am Beispiel von Hofchroniken mit interdisziplinären Ansätzen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung