Rezeption und Wirkung gewalthaltiger Computerspiele: Förderung antisozialer Verhaltensbereitschaften durch die Aktivierung eines "mean world"-Schemas
Final Report Abstract
Es wurde ein theoretisches Modell entwickelt, das den Zusammenhang zwischen kontextuellen Hinweisreizen auf feindselige Absichten anderer in Interaktion mit einer dispositionellen Sensitivität für solche Hinweisreize und antisozialen bzw. unkooperativen Verhaltensbereitschaften beschreibt und auf der Basis sozialer Kognitionen („suspicious mindset“) zu erklären versucht. Es wurde ferner gezeigt, dass gewalthaltige Computerspiele kontextuelle Hinweisreize auf feindselige Absichten anderer beinhalten können und dass es aggressive Hinweisreize sind, die bei dispositionell opfersensiblen Spielern argwöhnische Kognitionen auslösen und unkooperative Verhaltensneigungen verstärken können. Insofern stellen diese Befunde zum einen eine Erweiterung bisheriger Erklärungsmodelle zur Wirkung gewalthaltiger Videospiele auf unerwünschtes soziales Verhalten dar: Solche Modelle gehen im Sinne der sozialen Lerntheorie meist davon aus, dass die höhere Aggressionsbereitschaft von Spielern gewalthaltiger Computerspiele auf eine spezifische Verstärkung des aggressiven Verhaltens im Spiel und auf die Veränderung normativer Überzeugungen bezüglich der Legitimität von Aggression zurückzuführen sind. Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die bloße Konfrontation mit aggressiven bzw. feindseligen Charakteren („non-player characters“) − gleichsam aggressive Viktimisierungserfahrungen im Spiel − bereits einen Einfluss auf die Aktivierung argwöhnischer Kognitionen und daran anschließende antisoziale Verhaltensbereitschaften haben kann. Weiterhin hat das Projekt konzeptionelle und empirische Fortschritte in Bezug auf die Rolle von Medienkompetenz bei der Dämpfung gesellschaftlich problematischer Medienwirkungen erbracht. Mit Fokus auf die Kompetenzfacetten des Medialitätsbewusstseins und der Medienkritikfähigkeit nach Groeben konnte empirisch-experimentell gezeigt werden, dass Medienkompetenz in der Tat einen moderierenden Einfluss ausüben kann und prinzipiell einen Beitrag dazu leisten kann, die Wirkungen gewalthaltiger Computerspiele auf antisoziale Kognitionen (hier: misstrauische Gedanken und Erwartungen) zu reduzieren. Diese Erkenntnis ist aus mehreren Gründen von Bedeutung. Mit Blick auf die Forschung zur Medienrezeption und Medienwirkung lenkt sie den Blick von den wirkungsauslösenden (Angebots-)Bedingungen hin zu den wirkungsdämpfenden Ressourcen auf Seiten der Mediennutzer. Dadurch wird eine größere theoretische Vollständigkeit im Verständnis der Wirkung gewalthaltiger Unterhaltungsmedien ermöglicht, und zugleich ergeben sich interessante Perspektiven für die Präventions- und Interventionsarbeit. Zum anderen ist dieses Projektergebnis (auch wenn es sicherlich weiterer Folgestudien bedarf) bedeutsam, weil es in vielen außerwissenschaftlichen Debatten als normativ aufgeladene Hoffnung formuliert wurde (Medienkompetenz soll unerwünschte Medienwirkungen unterbinden), diese Hoffnung jedoch in der bisherigen Medienkompetenzforschung mit ihrem Schwerpunkt in der Medienpädagogik nicht systematischempirisch überprüft wurde. Insofern stellt das erreichte Ergebnis auch einen wichtigen methodologisch-disziplinären Brückenschlag zwischen der medienpsychologischen und kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungsforschung einerseits und der im Feld der Medienkompetenz an zentraler Stelle ‚zuständigen‘ Medienpädagogik dar. Über das Projekt wurde u.a. in der Basler Zeitung (09.05.2008), der Schweizer Zeitung „Der Bund“ (12.02.2010) sowie im Sender Ö1 (Österreichischer Rundfunk) am 29.03.2009 berichtet. Projektleiter Klimmt trat im März 2009 in einem ausführlichen Interview der Kindernachrichtensendung „logo!“ (ZDF/Kinderkanal) zum Thema ‚Gewalthaltige Computerspiele und Amokläufe‘ auf. Anlass war der Amoklauf in Winnenden.
Publications
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(2009). Sensibilität für Ungerechtigkeit. Psychologische Rundschau, 60(1), 8-22
Schmitt, M., Baumert, A., Fetchenhauer, D., Gollwitzer, M., Rothmund, T. & Schlösser, T.
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(2009). When the need to trust results in unethical behavior: The Sensitivity to Mean Intentions (SeMI) model. In D. De Cremer (Ed.), Psychological perspectives on ethical behavior and decision making (pp. 135-152). Charlotte, NC: Information Age
Gollwitzer, M. & Rothmund, T.
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(2009). Why and when Justice Sensitivity leads to pro- and antisocial behavior. Journal of Research in Personality, 43(6), 999-1005
Gollwitzer, M., Rothmund, T., Pfeiffer, A. & Ensenbach, C.