Auswirkungen eines gesetzlichen Verbots von Gewalt in der Erziehung im europäischen Vergleich
Final Report Abstract
Alle Forschungshypothesen wurden bestätigt. Dies überraschte insofern nicht, als der Antragsteller bereits in den neunziger Jahren in diesem Themengebiet gearbeitet hat. Gleichwohl konnte durch diese Studien bestätigt werden, dass es sich nicht um nationale Effekte handelt. Auch beruht der Rückgang der familialen Körperstrafen in Schweden nicht auf dem allgemein zu beobachtenden Wertewandel in Richtung Gewaltlosigkeit. Vielmehr wird dieser Wertewandel durch eine gesetzliche Ächtung von Gewalt in den jeweiligen Ländern messbar befördert. Weniger effektiv wirken hingegen bloße Aufklärungsmaßnahmen, vor allem im Bereich leichter Körperstrafen. Offenbar bedarf es einer klaren gesetzlichen Orientierung. In Ländern, in denen ein Gewaltverbot kodifiziert ist erfolgt die Erziehung körperstrafenfreier als in Ländern ohne eine gesetzliche Ächtung. Dies zeigt sich am deutlichsten in Schweden, wo die Ächtung von Gewalt in der Erziehung bereits in den ausgehenden fünfziger Jahren begann und mit dem Verbot in 1979 der gesetzliche Schlussstein gesetzt wurde. Seit Generationen wurde dort diese Rechtslage in regelmäßigen Abständen durch Kampagnen und Aktionen stetig im öffentlichen Bewusstsein gehalten. Die Erfolge in Schweden, aber auch in Österreich und Deutschland zeigen, dass innerhalb einer Generation das Gewaltniveau in der familialen Erziehung mehr als halbiert werden kann. Spanien steht eindeutig an der Schwelle zu einer gewaltfreien Erziehung und folgt dem Beispiel anderer Länder, die bereits seit längerem ein Körperstrafenverbot eingeführt haben. In Frankreich hingegen ist der Anteil der Eltern, die sich Erziehung ohne den Einsatz auch drastischer Mittel nicht vorstellen kann, mehr als doppelt so hoch. Die großen Unterschiede zwischen den fünf Ländern im Gebrauch von Gewalt in der Erziehung lassen sich daher nicht auf den eingetretenen Wertewandel zurückführen, sondern auf die gesetzlichen Reformen, die durch Aufklärungskampagnen begleitet wurden. Der Wertewandel dürfte nur für ein generelles Absinken des Gewaltniveaus verantwortlich sein. Die gewaltreduzierende Wirkung konnte außerdem in multivariaten Analysen bestätigt werden. Die Wirkung des Rechtsbewusstseins veriäuft dabei sowohl indirekt über die Gewaltdefinition und die Einstellung zu erzieherischer Gewalt als auch direkt Jedoch wirken sich daneben sowohl Züchtigungserfahrungen in der eigenen Kindheit als auch Gewalt in der Partnerschaft auf die gegenwärtige Erziehungspraxis gegenüber den eigenen Kindern aus. Ein Vergleich ergab jedoch, dass eine gesetzliche Ächtung andere negative Faktoren durchaus zu hemmen vermag. Dies gilt nicht nur für physische, sondern auch für psychische Formen von Gewalt. Die symbolische Bedeutung einer Rechtsreform wird daher heute noch zu sehr unterschätzt. Recht ist ein Kommunikationsmedium, das subtile, aber durchaus nachhaltige Wirkungen besitzt, wie der Antragsteller bereits in seiner Habilitationsschrift zeigen konnte. Mit Ausnahmen der schwedischen Eltern neigen allerdings noch zu viele Eltem zu Rechtfertigungen und setzen zu häufig Formen körperiicher als auch psychischer Gewalt ein. Dies gilt insbesondere für Spanien und vor allem für Frankreich, also für Länder ohne gesetzliche Verbote (zum Zeitpunkt der Erhebung). Gleichwohl belegt die Studie, dass durch eine gesetzliche Ächtung von Gewalt der Kreislauf der Gewalt nachhaltig gestört wird, so dass ein mittelfristiger Wandel möglich wird. Aus den Ergebnissen dieser Studie ergeben sich somit viele Argumente, die für eine gesetzliche Ächtung von Gewaft in der Erziehung sprechen. Auch in anderen Ländem sollten derartige Rechts reformen zur weiteren Reduktion von Gewalt eingesetzt werden, die allerdings von intensiven und langfristigen Infonnationskampagnen flankiert werden müssen, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, wie es das Beispiel Schweden zeigt.
Publications
- 2008: Wirkung von Körperstrafenverboten. Ergebnisse der europäischen Vergleichsstudie zu den Auswirkungen eines gesetzlichen Verbots von Gewalt in der Erziehung, in: Recht der Jugend und des Bildungswesens (RdJB), S. 404-421
Bussmann, Kai-D./ Erthal, Claudia/ Schroth, Andreas