Poetik der Grenzverschiebung. Kinderliterarische Muster und kulturelle Identität in der polnischen Literatur nach 1989
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt untersuchte Funktionen und Bedeutungszusammenhänge von kinderliterarischem Crosswriting und den dabei verwendeten kinderliterarischen Mustern in der polnischen Literatur nach 1989. Der Fokus des Forschungsprojekts lag auf der Bedeutung des kinderliterarischen Crosswriting für die Kommunikation mit einer erwachsenen Leserschaft. Unter Crosswriting versteht man literarische Verfahren, die eine Verschiebung von Grenzen zwischen Kinder- und der Erwachsenenliteratur vornehmen und damit eine Verschiebung der Adressatenschaften bewirken. International ist das Crosswriting ab den 1990er Jahren verstärkt zum Forschungsgegenstand literatur- und kulturwissenschaftlicher Disziplinen geworden. In der Slavistik gibt es bislang keine vergleichbare Auseinandersetzung mit diesem literarischen Phänomen, insbesondere was die erwachsene Leserschaft als Adressaten betrifft. Entsprechend der zu Beginn der Untersuchung aufgestellten Thesen konnte aufgezeigt werden, dass Formen des kinderliterarischen Crosswriting in der polnischen Gegenwartsliteratur neue Zugangsweisen bieten, um zentrale Fragen kultureller Identität gegenüber einer erwachsenen Leserschaft zur Sprache zu bringen und zu reflektieren. Das Potential, welches kinderliterarische Muster als Mittel der Kommunikation gegenüber erwachsenen Lesern in der polnischen Literatur zu entfalten vermögen, gründet − wie gezeigt werden konnte − in spezifischen kulturellen Kontexten und gesellschaftlichen Diskursen, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Diese Kontexte und Diskurse lassen sich als „Kindlichkeitsdiskurs“ bezeichnen, insofern dabei Vorstellungen von Kindlichkeit und Fragen polnischer kultureller Selbstverständigung zusammengeführt werden. Sie verschaffen dem polnischen Crosswriting einen eigenen Bedeutungsraum, der seine einfache Subsumierung unter das Phänomen des Crosswriting, wie es bislang fast ausschließlich an westlicher Literatur untersucht wurde, nicht zulassen. Mit der Analyse des Crosswriting in der polnischen Gegenwartsliteratur bietet das abgeschlossene Projekt einen alternativen Zugang und damit eine erweiterte Sicht auf Fragestellungen, Kommunikationsformen und kulturelle Grundlagen des polnischen Identitätsdiskurses nach 1989. Zugleich bietet es Gesichtspunkte und Anknüpfungspunkte, um einerseits das Crosswriting in den slavischen Literaturwissenschaften weiter zu erforschen und um andererseits die Slavistik stärker in die internationale Forschung zum Crosswriting wie auch zur Kinder- und Jugendliteratur allgemein einzubinden.
