Medialisierung von Organisationen: Ein Vergleich der Intensität und Qualität von Anpassungen an die Logik öffentlicher Aufmerksamkeitsgenerierung.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt leistet einen Beitrag zur kommunikationswissenschaftlichen Medialisierungsforschung. Im Projekt wurde das Medialisierungskonzept theoretisch weiterentwickelt und ausdifferenziert, der methodische Zugang reflektiert und verfeinert und es wurden empirische Ergebnisse vorgelegt, die den Forschungsstand erweitern: 1) Im Projekt wurde eine vergleichende Perspektive auf die Medialisierung von Organisationen aus Justiz, Politik und Wissenschaft entwickelt und im Zeitverlauf (1950er bis 2010er Jahre) untersucht. Dieses Vorgehen hat die Differenzierung von Einflüssen auf Medialisierungsprozesse und die Identifizierung und Reflektion verschiedener Medialisierungsstrategien ermöglicht. Die empirischen Befunde belegen, dass Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen die eigene Medialisierung mit der Bedeutungssteigerung öffentlicher Aufmerksamkeit begründen. Die spezifische Medialisierungsstrategie hängt dabei vor allem von der Bedeutung öffentlicher Aufmerksamkeit für die Legitimierung der Organisationen ab, vom Interaktionsmodus (Wettbewerb), der im jeweiligen Handlungsfeld vorherrscht, und davon, welche kurz- bzw. langfristigen Chancen und Risiken mit einer Anpassung an Aufmerksamkeitsmechanismen verbunden werden. 2) Die Medialisierungsforschung fokussiert üblicherweise journalistische Massenmedien als Bezugspunkt für Medialisierungsprozesse. Das Projekt erweitert diese Position. Medialisierung richtet sich an einem Konglomerat von Aufmerksamkeitsmechanismen aus, die Akteur*innen in ihrem jeweiligen kommunikativen Ökosystem als relevant wahrnehmen. Die Befunde zeigen, dass die wahrgenommenen Anforderungen öffentlicher Aufmerksamkeit immer noch nah an der journalistischen Medienlogik ausgerichtet sind, dass der mediale Wandel hier aber zu einer Zuspitzung (z. B. von Nachrichtenfaktoren) führt. Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen nehmen einen verschärften Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit wahr und passen sich entsprechend an. 3) Im Projekt wurden Anpassungen im Zeitverlauf erhoben und ausgewertet, im Vergleich rücken jedoch vor allem unterschiedliche Medialisierungsstrategien und -folgen in den Blick. Mit der im Projekt vorgenommenen Differenzierung von offensiven und defensiven Medialisierungsstrategien rückt statt der Frage, ob bestimmte Akteure oder gesellschaftliche Bereiche medialisiert sind, die Fragen in den Vordergrund, wie diese Akteure Medialisierungsprozesse gestalten und welche funktionalen und dysfunktionalen Folgen daraus entstehen. 4) Medialisierungsprozesse sollten im besten Fall im Zeitverlauf und vergleichend untersucht werden. Die qualitative Forschung steht hierbei vor der Herausforderung, vergleichsweise große Datenmengen bewältigen zu müssen. Deshalb wurden im Kontext des Projektes auch (teil-)automatisierte Verfahren der Datenerhebung und -auswertung für die qualitative Forschung nutzbar gemacht. Die Aufarbeitung der Projektergebnisse ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Auf Grundlage der Projektergebnisse wird sich meine weitere Forschungsarbeit im Bereich Medialisierung auf den internationalen Vergleich von Medialisierungsstrategien (z. B. China, D, USA) ausgewählter Bereiche konzentrieren und auf Normenkonflikte, die im Kontext von Medialisierung innerhalb von Organisationen bearbeitet werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2018). Perceived media logic: The point of reference for mediatization. In C. Thimm, M. Anastasiadis & J. Einspänner-Pflock (Hrsg.), Media logic(s) revisited. Modelling the interplay between media institutions, media technology and societal change (S. 195–216). Palgrave Macmillan
Nölleke, D. & Scheu, A. M.
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Qualitative Textanalyse. Blaupause und Potenziale (teil-) automatisierter Verfahren. In A. M. Scheu (Hrsg.), Auswertung qualitativer Daten. Strategien, Verfahren und Methoden der Interpretation nicht-standardisierter Daten in der Kommunikationswissenschaft (S. 309–322). Springer VS
Scheu, A. M, Vogelgesang, J. & Scharkow, M.
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(2019). Medienorientierung der Justiz. Strukturelle Anpassungen der deutschen Justiz an Anforderungen öffentlicher Aufmerksamkeit. MedienJournal, 42(4), 33–54
Scheu, A. M.
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(2019). Strategische Kommunikation von Hochschulen in Governance-Prozessen. In B. Fähnrich, J. Metag, S. Post & M. Schäfer (Hrsg.), Forschungsfeld Hochschulkommunikation (S. 247–269). Springer VS
Scheu, A. M. & Blöbaum, B.
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(2021). Medienwandel und Populismus. In I. Nord & T. Schlag (Hrsg.), Die Kirchen und der Populismus. Interdisziplinäre Recherchen in Gesellschaft, Religion, Medien und Politik (59–73). Evangelische Verlagsanstalt
Scheu, A. M.
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(2021). The other side of mediatization: Expanding the concept to defensive strategies. Communication Theory, 31(4), 737–757
Nölleke, D., Scheu, A. M., & Birkner, T.