Stile des Lebens 2.0. Zur Genese und Struktur querläufiger Vergesellschaftung
Empirische Sozialforschung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Mit dem Begriff der „querläufigen Vergesellschaftung“ hat F. Tenbruck auf die soziologische Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit hingewiesen, dass in wohl allen historischen Zeiten mannigfache Vergesellschaftungsprozesse quer über die Alltagsordnung institutionalisierter Strukturen hinweglaufen. Das Forschungsprojekt war in diesem Sinne einem begrenzten, gegenwartsdiagnostisch aber zentralen Teilausschnitt aus dem facettenreichen Spektrum querläufiger Vergesellschaftungsprozesse gewidmet: Wir untersuchten Selbstilisierungspraktiken, die durch den routinierten Einbezug medialer Ausdrucks- und Darstellungsformen und eine markante Verknüpfung lokaler und medialer Aktivitätszentren (sites) gekennzeichnet sind. Charakteristisch für solche Stilisierungspraktiken und Stilgemeinschaften ist, dass in der Alltagsordnung vorfindbare Ausdrucksrepertoires um fiktive Bildentwürfe aus zeitgenössischen Bildmedien (aus Computerspielen, Spielfilmen, Animes, Mangas etc.) ergänzt und relativ neuartige Beobachtungs- und Bewährungsordnungen ausgebildet werden: Beobachtungs- und Bewährungsordnungen, die virtuelle Bildwelten und personale Selbstdarstellung miteinander verschränken. Strukturell sichtbar wird in der Inkorporierung virtueller Bildentwürfe in personale Selbstdarstellungs- und Stilisierungshandlungen ein Modus der Medialisierung gesellschaftlichen Lebens, der über eine technische Vermittlung sozialer Austauschprozesse hinausgeht. Soziologisch bemerkenswert an den untersuchten Stilisierungspraktiken ist nicht allein der medial-virtuelle Charakter der jeweils zugrundeliegenden Bildentwürfe, sondern auch der Umstand, dass das Virtuelle selbstdarstellerisch aufgegriffen, personal konkretisiert und sozial präsentiert wird, d.h., dass das Virtuelle (Unwahrscheinliche, Riskante) zu einer gruppenspezifisch realen Bewährungsmöglichkeit wird. Neben der Struktur und Genese solch distinkter Beobachtungs- und Bewährungsordnungen galt das Interesse des Projektes methodischen Fragen der sozialwissenschaftlichen Analyse komplexer sozialer Gebrauchsweisen von Bildmedien. Weiterentwickelt wurden dementsprechend Verfahrensweisen der Analyse von Bildclustern und visuellen Idiomen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
Das Bild als soziologisches Problem. Herausforderungen einer Theorie visueller Sozialkommunikation, Weinheim/Beltz Juventa
Müller, Michael R. & Soeffner, Hans-Georg
-
„Einleitung – Das Bild als soziologisches Problem“, in: Michael R. Müller/Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Das Bild als soziologisches Problem. Herausforderungen einer Theorie visueller Sozialkommunikation, Weinheim: Beltz Juventa, S. 9-14
Müller, Michael R.
-
„Identität – Gemenschaft – Volk. Zur Illusionsemantik einer pluralen Gesellschaft, in: Manuel Becker, Volker Kronenberg, Hedwig Pompe (Hrsg.), Fluchtpunkt Integration, Wiesbaden: Springer VS, S. 41-62
Soeffner, Hans-Georg
-
„Soziale Anschauung in technisierten Umgebungen. Die Fotografie als Medium visueller Sozialkommunikation“, in: Michael R. Müller/Hans-Georg Soeffner (Hrsg.), Das Bild als soziologisches Problem. Herausforderungen einer Theorie visueller Sozialkommunikation, Weinheim: Beltz Juventa, S. 95-115
Müller, Michael R.
-
„Kritik des Sehens. Drei Thesen zu einer hermeneutischen Wissenssoziologie ikonischer Formen“, in: Ronald Hitzler, Jo Reichertz, Norbert Schroer (Hrsg.): Kritik der Hermeneutischen Wissenssoziologie. Problematisierungen, Entwicklungen und Weiterführungen, Weinheim: Beltz Juventa, S. 353-366
Müller, Michael R.
-
„Stile des Lebens 2.0. Zur Genese und Struktur querläufiger Vergesellschaftung“, in: Nicole Burzan (Hrsg.): Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Wies-baden/Springer VS, Weinheim/Basel 2019/Beltz Juventa
Müller, Michael R.
-
Bild- und Sehwelten. Visueller Erkenntnisstil und Hermeneutik des Sehens. Weinheim: Beltz Juventa
Soeffner, Hans-Georg
-
„Image Clusters. A Hermeneutical Perspective on Changes to a Social Function of Photography”, in: Forum: Qualitative Social Research, 2020. 21(2), Art. 4.
Müller, Michael R.
-
Der Eigensinn der Sinne. Der soziale Sinn der Sinne, 19-32. Springer Fachmedien Wiesbaden.
Soeffner, Hans-Georg
-
„Politisierung der Bilder – Politisierung durch Bilder. Die Produktion von Evidenz im politisch motivierten Bildvergleich“, in: Oliver Dimbath/Michaela Pfadenhauer (Hrsg.), Gewissheit. Beiträge und Debatten zum 3. Sektionskongress der Sektion Wissenssoziologie, Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 808-830
Müller, Michael R. & Sommer, Matthias
-
Visuelle Soziologie. Goffman-Handbuch, 471-479. J.B. Metzler.
Müller, Michael R.
-
„Macht aus Ohnmacht. Populismus und Ressentiment“, in: Dembeck, Till; Fohrmann, Jürgen (Hrsg.), Die Rhetorik des Populismus und das Populäre: Körperschaftsbildungen in der Gesellschaft, Göttingen: Wallstein, 2022, S. 76-90
Soeffner, Hans-Geor
-
Die vierte Maske. Bild und Biographie, 130-140. Budrich Academic Press.
Müller, Michael R. & Sonnenmoser, Anne
-
Iconic image clusters: Significance, structure, and analysis. Studies in Communication Sciences, 24(1).
Müller, Michael R.
-
Komplexe Bildphänomene – Vergleichende Analyse und Interpretation. Ein Studienbuch. Springer VS
Müller, Michael R.
