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Varianz und Grammatikalisierung von Verbalszenenkonstruktionen
Antragstellerin
Professorin Dr. Gabriele Diewald
Fachliche Zuordnung
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung
Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 318196760
Das Projekt untersucht die Konstruktionsvarianten der Verben bekommen, kriegen, verdienen und lassen im heutigen Deutsch im Hinblick auf die je spezifische Szenenstruktur und den Grammatikalisierungsgrad. Für dieses komplexe Untersuchungsobjekt wird der Terminus Verbalszenenkonstruktion geprägt, um hervorzuheben, dass nicht nur die Argumentstruktur oder Teile der Proposition, sondern das gesamte semantisch-kognitive Repräsentationsmuster eines Satzes als konstruktionelle Entität erfasst wird. Zwar dienen die Verben als namengebende Elemente der Konstruktionen, ihre Bedeutung bzw. Funktion wird jedoch integrativ im Rahmen der jeweiligen Konstruktion ermittelt. Sie setzt sich aus Merkmalen der Relationalität der Verbalszene, der Argumentstruktur und der Aspektualität zusammen. Die Verben sind hochgradig polyfunktional zwischen lexikalen, idiomatischen und grammatikalisierten Gebrauchsweisen. Damit ist eine hohe konstruktionelle Vielfalt verbunden, wie die Beispiele mit bekommen andeuten. (1) zeigt die stark grammatikalisierte Verwendung im bekommen-Passiv, (2) und (3) illustrieren semi-auxiliare Verwendungen in modalen und aspektuellen Konstruktionen, (4) und (5) zeigen Vollverben mit divergenten Argumentstrukturrahmen und Verbbedeutungen. (1) Sie bekommt die Haare geschnitten. (2) In diesem Job bekommt sie furchtbare Dinge zu sehen. (3) Sie bekommt das bis heute Abend geregelt. (4) Soviel Milch bekommt einer Katze nicht. (5) Sie bekommt das Mineralwasser. Ziel des Projekts ist es, Einsichten in den Zusammenhang zwischen der Varianz und Grammatikalisierung von Verbalszenenkonstruktionen und den Auxiliarisierungsgraden der beteiligten Verben zu ermitteln und Grammatikalisierungspfade neuen Typs mit Verbalszenenkonstruktionen (d.h. holistischen Einheiten) als Skaleninhalten zu entwickeln. Die bisher bevorzugte Linearität bei der Skalenmodellierung reicht für Verbalszenenkonstruktionen nicht aus; stattdessen sind netzartige bzw. mehrdimensionale Gebilde anzusetzen, die Polygrammatikalisierung ebenso wie Lexikalisierung und Idiomatisierung angemessen abbilden. Angestrebt ist somit eine im vollen Sinne konstruktionelle Modellierung der Varianz und Grammatikalisierung von Verbalszenen. Die empirische Grundlage ist eine korpusgestützte Untersuchung aller mit den genannten Verben vorfindlichen Konstruktionen. Den theoretischen Hintergrund bildet die Verbindung von Grammatikalisierungsforschung, Konstruktionsgrammatik und kognitiver Linguistik (Frame Semantik, Theorie der Deixis). Der wissenschaftliche Ertrag ist ein dreifacher: i. die Ermittlung der Varianz von Verbalszenenkonstruktionen und Grammatikalisierungsskalen schließt eine Lücke in der Erforschung von Grammatikalisierungsprozessen; ii. die konstruktionelle Fundierung wird erstmals an zentraler Stelle in die Modellierung von Grammatikalisierung aufgenommen; iii. das Postulat der Konstruktionsgrammatik zur Primärstellung des Konzepts der Konstruktion wird modellhaft eingelöst.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen