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Musealization of the Present Age. The Transformation of the Present into History in Collection Strategies of Historical Museums

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2017 to 2021
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 318876851
 
Final Report Year 2022

Final Report Abstract

Die anhaltende Konjunktur historischer Ausstellungen seit den 1970er Jahren zeigt das Museum als gesellschaftlich wirksame Vermittlungsinstanz von Geschichte, weniger jedoch als komplexe Gedächtnisinstition, die maßgeblich auf ihren Sammlungen beruhen. Diese sind jedoch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive als Quellenbestände zu interpretieren, die den auf Schriftlichkeit beruhenden Erkenntnisgewinn um die materielle Kultur erweitern. Mit dem Projekt „Die Musealisierung der Gegenwart“ wurde der Frage nachgegangen, ob und wie historisch argumentierende Museen die Gegenwart sammelnd dokumentieren und welche Möglichkeiten sich daraus für die Zeitgeschichtsforschung ergeben. Dabei lassen sich zunächst historische Etappen eines musealen Gegenwartsbezugs ausmachen. Bereits im 19. Jahrhundert bildeten die Gewerbemuseen einen auf Aktualität beruhenden Zugang, aus dem sich jedoch im Zuge des Historismus zu technikhistorischen Museen entwickelten. Erst mit der Implementierung des Geschichtsmuseums sowjetischen Typs in der frühen DDR wurde ein explizitierter Gegenwartsbezug wieder aufgenommen, indem dort die Gegenwart immanenter Bestandteil einer historischen Fortschrittsnaration wurde. Das Sammeln von Gegenwart nahm dabei einen pominenten Platz in der Konzeption des sozialistischen Geschichtsmuseums ein, war jedoch durch seine Ausrichtung an einer normativen Gesellschaftsinterpretation auf politisch nützliche Quellen begrenzt. Eine museal begründete Sammlung von materieller Kultur der Gegenwart begann erst gegen Ende der DDR, war damit weitgehend wirkungslos und wurde vom nachholenden Sammeln ihrer Alltagskultur nach 1989/90 überlagert. Eine dritte Phase der Gegenwartsorientierung der Museen setzte seit den 1970er Jahren infolge einer Defizitanalyse ein, die ein weitgehendes Fehlen der Industriegesellschaft in den musealen Sammlungen konstatierte. Hieraus folgten unterschiedliche Ansätze des Gegenwartssammelns im Kontext des jeweiligen gesellschaftlichen Umfeldes. Zu unterscheiden sind eine systematische Dokumentation der Gegenwart als vorauseilende Musealisierung mit Blick auf eine zukünftige Nachvollziehbarkeit, partizipative Sammlungsansätze im Kontext einer Öffnung der Museen in die jeweilige Gesellschaft sowie die Erweiterung der kuratorischen Aufmerksamkeit auf die materielle Kultur der Gegenwart als Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen wie auch aktueller Ereignisse. Diese Strategien haben bis in die Gegenwart Relevanz und gewinnen durch eine größere Aufmerksamkeit für die musealen Sammlungen wie auch generell für die materielle Kultur an Bedeutung. Durch die Untersuchung wurde deutlich, dass das museale Gegenwartssammeln sowohl einer historischen Dynamik bei der Interpretation der Wirkungsabsicht des Museums als auch einer institutionenspezifischen Herangehenweise unterliegt. Museales Sammeln als Quellenbildung einer Gedächtnisinstitution unterscheidet sich grundlegend vom archivalischen, indem nicht ein geordneter Übergang in einen historischen Bestand, sondern eine von aktuellen Forschungs‐ und Wirkungsinteressen ausgehende Selektion praktiziert wird. Bei der Nutzung von musealen Sammlungen als Quellenbestände wird deshalb immer der jeweilige sich verändernde Kontext zu rekonstruieren sein. Die Untersuchung hat gezeigt, dass Sammlungskonzeptionen in der Vergangenheit teils Fortschreibungen älterer Sammlungskonventionen, teils, besonders in der DDR, Ableitungscharakter hatten, so dass sich das zeitgeschichtliche Sammlungsobjekt lediglich als Beleg erwies. Dies hat sich im Kontext der Debatten um das Gegenwartssammelns seit den 1970er Jahren grundlegend verändert. Nunmehr bedeutete das Sammeln von Gegenwart eine Abkehr oder Ergänzung des dominanten antiquarischen Sammelns in Geschichtsmuseen und bedurfte seitdem der Begründung, bei der auch methodische Zugriffe abzuwägen waren. Die Untersuchung bewegt sich daher in einem äußerst heterogenen und dynamischen Feld musealer Gegenwartsperzeption, das sich zwischen Ansätzen systematischer Dokumentation und anlassbezogener Sammlungsaktivität bewegt und ebenso das Verhältnis zwischen Museumskuratoren einerseits und der Bevölkerung als Laienkuratoren ausgehandelt wird. Gegenwart ist in diesem Zusammenhang sowohl Sammlungsobjekt wie auch Beobachtungs‐ und Interpretationsstandort. Für die zeithistorische Forschung ergibt sich damit die Herausforderung, die disziplinäre Interpretation von Zeitgeschichte als „Geschichte der Mitlebenden“, „Vorgeschichte der Gegenwart“ oder „présentisme“ im musealen Kontext des Übergangs vom sozialen in ein kulturelles Gedächtnis zu prüfen. In der Abschlusspublikation, die in der von Frank Bösch und Martin Sabrow herausgegebenen Publikationsreihe „Geschichte der Gegenwart“ erscheinen wird, werden diese historischen, museumstypologischen und sammlungsmethodischen Fragen einer zeitgeschichtlichen Quellenbildung bei der Verwandlung von Gegenwart in Geschichte zusammengeführt.

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