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Das Dorf Christi. Institutionentheoretische und funktionshistorische Perspektiven auf Oberammergau und sein Passionsspiel im 19. bis 21. Jahrhundert

Antragstellerinnen / Antragsteller Privatdozent Dr. Jan Mohr; Professorin Dr. Julia Stenzel
Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 321044634
 
Das Projekt untersucht interdisziplinär (Theaterwissenschaft, Literaturwissenschaft, Ethnologie) die Pluralisierung und Stabilisierung des Oberammergauer Passionsspiels seit dem 19. Jh. Ausgehend von institutionentheoretischen Ansätzen fragt es danach, wie in Oberammergau Ansprüche auf religiöse Verbindlichkeit perpetuiert und wie Geltungserosionen durch kompensatorische Narrative aufgefangen werden. Das seit 1634 regelmäßig aufgeführte Passionsspiel steht in der Tradition spätmittelalterlicher geistlicher Spiele. Freilich haben sich seine pragmatischen und funktionellen Parameter seither verschoben. Seit Mitte des 19. Jhs. zieht Oberammergau ein internationales Publikum an, das von einer gut organisierten Touristikbranche betreut wird. Im 20. Jh. werden Spiel und Dorf durch die nationalsozialistische Propaganda vereinnahmt, seit den 1970er Jahren reagiert man allmählich auf Antisemitismus-Vorwürfe. Mit der Übernahme der Spielleitung durch Christian Stückl 1990 schließlich wird die Selbstvermarktung intensiviert und gewinnen Aufführungsästhetik und Selbstreflexion einen bis dahin ungekannten diskursiven und pragmatischen Stellenwert.Die Projektarbeit verfolgt, wie die Spannung zwischen Traditionsbezügen und sich verändernden historischen und medialen Kontexten in einer Institution Oberammergau verhandelbar wird. Dazu kommen nicht nur die Spiele, sondern auch Zuschreibungen an das Dorf und die verschiedenen – individuellen, kollektiven, dinglichen – Akteure sowie Mediatisierungen von Oberammergau und seinem Passionsspiel in den Blick. Wir erfassen Dokumentationen und Kommentare unterschiedlichster medialer Verfasstheit und über ethnologische Feldarbeit auch Positionen abseits des dominanten schriftlichen Diskurses. So beziehen wir einen in seiner Komplexität kaum beachteten Gegenstand auf zentrale theater- und textwissenschaftliche, medienhistorische sowie ethnologische Forschungsdiskurse: Theater als Ort von Vergemeinschaftung, Muster der Narrativierung von Spieltradition und Selbstkonzepten (telling history), narrative und performative Konstruktion von Eigenräumen und Eigenzeiten; Religion und Tourismus, die intermediale Szenographie von Bühnen- und Stadtraum. Den gemeinsamen Problemhorizont bildet die Frage nach Funktionalisierungen von Religiosität in Kontexten, die sich selbst als ‚säkular‘, ‚postsäkular‘ oder gar ‚multipel säkular‘ begreifen. Mit der beantragten Fortsetzungsphase weitet sich der Blick auf die medienhistorischen Voraussetzungen dafür, wie die Ansprüche auf Geltungskontinuität in Oberammergau aufrechterhalten werden können (Bildregimes und Bildhegemonien, die Funktion von Dingen im Dorf und auf der Bühne für institutionelle Stabilisierung und Transformation). Die Einbeziehung der Passionsspielzeit 2020 bietet zudem eine einzigartige Erweiterung der Induktionsbasis.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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