Das Dorf Christi. Institutionentheoretische und funktionshistorische Perspektiven auf Oberammergau und sein Passionsspiel im 19. bis 21. Jahrhundert
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Oberammergauer Passionsspiel geht auf ein Pestgelübde im Jahr 1633 zurück und wird seither in beispielloser Kontinuität alle zehn Jahre aufgeführt. Trotz massiver soziohistorischer Verschiebungen und Brüche, grundlegender Umarbeitungen, ja Neuschreibungen des Spieltextes und topologischer Umordnungen beruft sich die Gemeinde Oberammergau heute auf eine bald 400jährige Geschichte, die dieses eine Passionsspiel als singulär im Feld vergleichbarer Traditionen im alpenländischen Raum markiert: Oberammergau als ‚das‘ Passionsspiel ist zum Vorbild geworden für den frühen narrativen Film ebenso für die Neubegründung einer Passionsspieltradition in den USA, es wurde zum Modell für ein authentisches Volkstheater ebenso wie für die Thingspiele im Nationalsozialismus. Das interdisziplinär in Germanistik, Theaterwissenschaft und Ethnologie verortete Projekt untersucht diese spannungsreiche Konstellation mit einem Set disziplinär spezifischer Methoden, ergänzt durch transdisziplinäre Ansätze. Folie der gemeinsamen Arbeit ist ein Modell von Institutionalität, das, zunächst bezogen aus der soziologischen Institutionenforschung, um eine historiographische und eine ästhetische Perspektive ergänzt wird: Wie kann Oberammergau als Institution seine Singularität behaupten, welche spezifischen Ästhetiken, Raumordnungen und Dispositive tragen dazu bei, dass sein Passionsspiel einerseits als traditionsstabilisierend, andererseits als offen auf eine Zukunft jenseits des katholischen Gelübdespiels wahrgenommen wird? Dazu verhandelt es die Raum- und Zeitordnungen des Dorfes, seines Theaters und seines Umlands sowie die Reisediskurse und -dispositive von Oberammergau; es untersucht die Hybridisierungen des Spiels und die Heterogenität seiner Schau- und Spielkollektive seit dem 19. Jh. und die literarische Produktivität des Oberammergau-Phänomens. Ein besonderer Fokus gilt der Materialität der in die Spielproduktion eingebundenen Körper und Dinge und ihrer Auratisierung in einer Souvenir-Ökonomie. Mit den ‚Dingen der Passion‘ rücken schließlich auch Politiken der Selbstarchivierung und Selbstpräsentation der Spielgemeinde in den Blick, die Konsistenz und Stabilität suggerieren, aber immer wieder anders in Narrative und in performative Zusammenhänge eingebunden sind.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Wege nach innen. Die Reise zum Oberammergauer Passionsspiel seit dem 19. Jh., in: (Off) The Beaten Track? Normierungen und Kanonisierungen des Reisens, hg. v. U. Schaffers, S. Neuhaus, H. Diekmannshenke. Würzburg 2018, 97-116
Mohr
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A rabbi's passion, a hajj's play: Oberammergau and its Passion Play between performed history and histrionic place. Forum Modernes Theater, 30(1-2), 162-177.
Stenzel, Julia
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Editorial: Reenacting Religion - Reacting to Religion. Vom Wiedererzählen und Wiederaufführen »religiöser' Praxen. Forum Modernes Theater, 30(1-2), 81-85.
Stenzel, Julia
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Immersivity: An Interdisciplinary Approach to Spaces of Immersion. Ambiances.
Freitag, Florian; Molter, Céline; Mücke, Laura Katharina; Rapp, Helena; Schlarb, Damien B.; Sommerlad, Elisabeth; Spahr, Clemens & Zerhoch, Dominic
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Monument und Sediment. Dingpolitik und Bildregimes im Oberammergauer Passionsspiel, in: Newsletter für Historische Mediologie 20, 10-24 2020
Mohr; Stenzel
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Was das Spiel heilt, in: Triakontameron, hg. v. M. Bengert, J. Dünne, M. Walther, 10.4.2020
Mohr & Stenzel
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Arbeit am Verräter. Zur Judasfigur in den Textfassungen und der Ikonographie des Oberammergauer Passionsspiels, in: Religiöses Wissen im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schauspiel, hg. v. K. Ridder, B. v. Lübke, M. Neumaier, Berlin, 395-425 2021
Mohr; Stenzel
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Arma Christi. Passion als Glaubenszeugnis und die Lage der Dinge. Kriminalität in Literatur und Medien, 105-125. J.B. Metzler.
Stenzel, Julia
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Ein Dorf sammelt sich. Oberammergau abseits der Passionsspiele: Selbstarchivierung, Selbstkuratierung und das Spiel mit der Tradition, in: Newsletter für Historische Mediologie 24, 3–14 2022
Mohr; Stenzel
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Hinter den Bergen, im Mittelalter. Oberammergau und sein Passionsspiel im 19. Jh., in: Mikrokosmen. Ästhetische Formen und diskursive Figurationen einer Repräsentativität des Partikularen, hg. v. F. . Ammon, M. Waltenberger. Frankfurt a.M. u.a. 2022, 167-199
Mohr
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The Ways of Things: Mobilizing Charismatic Objects in Oberammergau and Its Passion Play. Religions, 13(1), 71.
Mohr, Jan & Stenzel, Julia
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‚Made in Oberammergau‘. Materialität und Repräsentation der Oberammergauer Passions-Souvenirs, in: Medioscope, 1.7.2022
Molter
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Im Volk. Oberammergaus Chöre zwischen Antike, Mittelalter und Moderne, in: Liturgische Chöre, politische Kollektive, hg. v. J. Bodenburg, S. Spreckelmeier. Münster 2023
Stenzel
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Politics of the Oberammergau Passion Play. Routledge.
Stenzel, Julia & Mohr, Jan
