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SFB 766:  Die bakterielle Zellhülle: Struktur, Funktion und Schnittstelle bei der Infektion

Fachliche Zuordnung Medizin
Biologie
Chemie
Förderung Förderung von 2007 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 32152271
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die bakterielle Zellhülle stellt eine Art Struktur dar, mit Hilfe derer die Bakterien miteinander und mit der Umwelt interagieren. Sie besitzt daher eine zentrale Rolle in der bakteriellen Physiologie, bei der Formbildung, bei Transportprozessen, für Antibiotikaresistenz wie auch bei biotechnologischen Anwendungen. In Pathogenen ist die Zelloberfläche von entscheidender Bedeutung bei Infektionsereignissen und bei der Auslösung von Immunreaktionen. Die Zellhülle besteht aus der Zytoplasmamembran, der Zellwand und ihren Anhängen und – im Falle der Gram-negativen Bakterien der äußeren Membran. Aufgrund ihrer chemischen und strukturellen Komplexität und Diversität war die Kenntnis der molekularen Details der bakterielle Zellhülle zum Zeitpunkt des Beginns des SFB 766 im Jahr 2007 sehr begrenzt. So waren die Biosynthese des dreidimensionalen Netzwerks, seine hochdynamischen Eigenschaften und seine Rolle in der Physiologie und der Bakterien – Wirts – Interaktionen nur ansatzweise verstanden. Es gab zwei wichtige Gründe, warum sich der SFB 766 auf die Untersuchung der bakteriellen Zellwand konzentrierte. Einerseits hat Tübingen eine lange Tradition in der Forschung zur bakteriellen Zellhülle. Neben anderen haben Wolfhard Weidel, Volker Höltje und Volkmar Braun wegweisende Arbeiten an Strukturen und Funktion der bakterieller Zellhülle publiziert. Danach ergab sich allerdings aufgrund des Fehlens geeigneter Technologien ein Stillstand in der Zellhüllenforschung. Da aber andererseits die neuen –omics Technologien, analytische Methoden und die Fortschritte der Strukturellen Biologie und Informatik neue methodische Ansätze lieferten, bot sich eine einmalige Chance, die Zellhüllenforschung auf einem neuen Niveau fortzuführen. Der SFB konzentriert sich in einem interdisziplinären Ansatz darauf, unser Wissen zu Struktur, Funktion und Biosynthese der bakteriellen Zellhülle umfassend zu vertiefen. Darüber hinaus wurden die Wechselwirkung der Zellhülle mit der Umwelt und mit möglichen Wirten sowie ihr Beitrag zur Pathogenität und ihre Rolle bei der Antibiotika -wirkung und -resistenz untersucht. Als Modellsystem dienten dabei im Wesentlichen neben Escherichia coli und Bacillus subtilis, Antibiotika-produzierende Actinomyceten sowie wichtige humanpathogene Erreger wie Staphylokokken, Yersínien und Burkholderia. Der SFB war in zwei Sektionen organisiert. Sektion A fokussierte sich auf die Synthese, den Umsatz und die Funktion von Komponenten der Zellhülle. Dabei konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass die dynamischen Turnover-Vorgänge permanent ablaufen und Angriffsort für Antibiotika sein können, dass definierte Nanoporen in den Septen filamentöser Cyanobakterien essentiell für die Zell-Zell Kommunikation sind und dass deren Öffnen und Schließen strikt kontrolliert wird. Forschungen an Actinomyceten, die Zellwand-aktive Antibiotika synthetisierten, führten zur Identifikation neuer Resistenzmechanismen, mit denen sich die Bakterien vor ihren eigenen Antibiotika schützen. In diesen Bakterien wurde auch ein vollkommen neuer Mechanismus, der der Chromosomensegregation ähnelt, entdeckt, mit dem der Gentransfer über die Zellhülle erfolgt. Dieser Prozess ist sowohl für die Verteilung der Resistenzgene als auch für die Evolution von Antibiotikabiosynthese – Genclustern durch horizontalen Gentransfer essentiell. Überraschenderweise konnte die Fähigkeit, Antibiotika zu produzieren, auch in typischen Vertreten des menschlichen Mikrobioms gefunden werden. So synthetisiert Staphylococcus lugdunensis ein Peptidantibiotikum, das u.a. pathogene S. aureus hemmt. Arbeiten in der Sektion B konzentrierten sich auf drei Vorgänge, in denen die Zellhülle eine wichtige Rolle bei den Bakterien – Wirt - Interaktionen spielt. So gelang es, die Komplexität und Vielfalt der Struktur der Adhäsine umfassend zu beschreiben. Zelluläre Komponenten, die bei dem Zusammenbau vom ß-Barrel- Proteinen mitwirken, konnten identifiziert und durch Vergleich mit analogen Einbauprozessen in Mitochondrien charakterisiert wurden. Ein besseres Verständnis der pflanzlichen Immunreaktion konnte durch die Untersuchung des Zusammenspiels von Zellhüllenkomponenten, wie sie beim „Turnover“ entstehen, und pflanzlichen Rezeptoren gewonnen werden. Die Arbeiten zur Zellhülle gewinnen eine besondere Bedeutung durch das vermehrte Auftreten Antibiotikaresistenter Erreger bei Infektionen. Die effektivsten Antibiotika haben die Zellhülle als Wirkort. So liefern die Arbeiten des SFB 766 auch Informationen zu bisher unbekannten Antibiotikaresistenzmechanismen und zu neuen potentiellen Antibiotikatargets. Schließlich führte der SFB 766 zu grundlegend neuen Strukturen. Er initiierte die Gründung des Interfakultäres Institutes für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT). Der SFB war eine wichtige Voraussetzung für die Auswahl von Tübingen als ein Standort innerhalb des deutsche Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Die Arbeiten des SFB 766 bildeten insbesondere eine wesentliche Grundlage für den erfolgreichen Excellenzcluster-Antrag „Controlling Microbes to Fight Infections“ (CMFI).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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