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Territorialisierung von unten? Zugehörigkeiten und Staatsbildung in Leipzig 1485-1806

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2016 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 322898684
 
Als klassisches gesellschaftliches Ordnungsparadigma der Moderne gilt der Nationalstaat: Staat und Nation werden schon begrifflich als zusammengehörig gedacht; Staatsangehörigkeit und Territorialitätsprinzip, so die (implizite) Annahme, seien zur Deckung gekommen. Dass diese (national-)staatlich-territorial verfasste Zugehörigkeitskonzeption jedoch an Grenzen stößt, zeigen aktuelle Forschungen ebenso wie gesellschaftspolitische Debatten: Trans- und supranationale Entitäten einerseits, nicht-territorial organisierte Zugehörigkeiten andererseits lösen territorial gedachte Zuordnungen ab oder transformieren sie. Damit kann das Nationalstaatsparadigma nicht länger seine umfassende Gültigkeit behaupten.Damit stellt sich nicht nur die Frage, was nach dem Nationalstaat kommen könnte. Zugleich wächst das Interesse an der Zeit vor dem Nationalstaat, d.h. an dessen Herausbildung in der Vormoderne und an deren Alternativen wie Varianzen. Hier ist das beantragte Projekt zu verorten. Es lässt sich von den aktuellen Ablösungsprozessen inspirieren, konzentriert sich aber auf die Herausbildung des Paradigmas, genauer: auf den Zusammenhang von Zugehörigkeit und Territorialität in der Frühen Neuzeit. Am Beispiel der Landstadt Leipzig im Zeitraum von 1485 bis 1806 soll es gelingen, das Mit- und Nebeneinander unterschiedlich verfasster Zugehörigkeiten mit divergierenden räumlichen Reichweiten in ihrer Historizität zu erschließen.Im ersten Schritt wird die Frage untersucht, welche Räume im frühneuzeitlichen Leipzig überhaupt von den verschiedenen (landesherrlichen, städtischen, kirchlichen, universitären) Herrschaftsträgern und Verwaltungsstrukturen hergestellt und definiert wurden.Der zweite Schritt fragt nach den Transmissionsriemen zwischen normativer Setzung und Verankerung dieser Vorgaben im alltäglichen Leben der Stadtbewohner. Anhand von Karten, Stadtansichten und anderen symbolischen Vergegenwärtigungen, aber auch von Stadtrats- und Zeremonialprotokollen ist zu klären, wie welche unterschiedlichen Räume visualisiert und welche Praktiken und Rituale zur Erzeugung einer mental map, d.h. zur Vergegenwärtigung obrigkeitlicher Raumordnungen bei den städtischen Einwohnern eingesetzt wurden.Im dritten Schritt rücken die Menschen, die sich in diesen Stadt-Räumen bewegen, in den Mittelpunkt. Anhand von räumlichen Selbstverortungen etwa in Suppliken und Zeugenverhörprotokollen ist zu rekonstruieren, wie die Akteure ihre eigenen Räume konstruierten und welche Bedeutung hierbei den Vorgaben von oben zukam.Indem stets auch nach dem Wandel gefragt wird, der in diesen Konfigurationen räumlicher Zugehörigkeit im Verlauf der Frühen Neuzeit zu verzeichnen ist, möchte das Projekt den aktuell hochrelevanten Zusammenhang von Territorialisierung, Staatsbildung und Zugehörigkeit aus historischer Sicht erhellen und das klassische Narrativ der Staatsbildung um die zentrale, bislang jedoch kaum bedachte Facette der Territorialisierung von unten erweitern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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