Schmelzen chiraler magnetischer Kristalle nahe Temperatur Null
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Magnetisierung in chiralen Magneten ist räumlich moduliert auf einer Längenskala, die groß ist im Grenzfall einer kleinen Spin-Bahn Wechselwirkung. Dies führt zu periodisch magnetischen Texturen, die als magnetische Kristalle bezeichnet werden können. Beispiele von ein- und zweidimensionalen magnetischen Kristallen sind die magnetischen Helix und das magnetische Skyrmion Gitter. Skyrmionen sind bestimmte magnetische Konfigurationen mit einer nicht-trivialen Topologie. Eine zentrale Frage des vorliegenden Projektes betrifft die Entstehung solcher magnetischen Kristalle bei tiefen Temperaturen, d.h. der Phasenübergang zwischen diesen Kristallen und dem ungeordneten paramagnetischen Zustand. Dieser Übergang kann aus zwei unterschiedlichen Perspektiven entweder als Schmelzprozess oder als Kristallisationsprozess betrachtet werden. Ein möglicher Mechanismus des Schmelzprozesses ist die Proliferation von Defekten der kristallinen Ordnung. Das Projekt hat wichtige Ergebnisse zur Charakterisierung und Klassifizierung solcher Defekte der helimagnetischen Ordnung erzielt. So wurde die mikromagnetischen Struktur von Domänenwänden bestimmt, die helimagnetische Bereiche mit unterschiedlicher Orientierung trennen. Je nach Geometrie wurden drei Typen von Wänden identifiziert, die sich durch die Dichte der Dislokations- und Disklinationsdefekte unterscheiden. Die Phänomenologie dieser Defekte als auch der auftretenden Wände ist interessanterweise bekannt aus dem Forschungsfeld der Flüssigkristalle. Der Ursprung dieser Universalität ist die effektive lamellare Ordnung, die sowohl der Helimagnet als auch z.B. ein cholesterischer Flüssigkristall realisiert. Weiterhin wurde erfolgreich sogenannten Schraubendislokationen der helimagnetischen Ordnung untersucht und deren Struktur bestimmt. Es konnte gezeigt werden, dass Stufen- als auch Schraubendislokationen in Helimagneten ähnlich wie die Skyrmionen eine endliche topologische Ladung tragen. Damit koppeln sie effektive an Spinströme und können durch diese manipuliert werden. Das Projekt hat erfolgreich den Kristallisationsprozess des Skyrmion Gitters untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass ausgeprägte Skyrmion-artige Fluktuationen schon in der paramagnetischen Phase oberhalb der Kristallisationstemperatur existieren. Insbesondere konnte nachgewiesen werden, dass deren Korrelationslänge hinreichend groß ist, so dass diese Fluktuationen durch das magnetokristalline Potential beinflusst werden und sich entlang einer atomaren kristallinen Achse ausrichten. Der Einfluss des magnetokristallinen Potentials auf die magnetischen Phase und deren Eigenschaften wurde durch eine Reihe von Ergebnissen weiter beleuchtet. So wurde detailiert die Orientierung des Skyrmion Gitters durch die Kopplung an das atomare Gitter untersucht. Eine wichtige Entdeckung gelang fuür den chiralen Magneten Cu2OSeO3, wo eine weitere Skyrmion-Gitter Phase bei tiefen Temperaturen entdeckt wurde, die zukünftige Untersuchungen der Quanteneigenschaften von Skyrmionen erlaubt. Die dynamischen Anregungen dieser Skyrmionen Phase wurde bestimmt und eine Hybridisierung von Anregungsmoden durch das magnetokristalline Potential aufgedeckt. Zusammenfassend hat das Projekt wichtige Erkenntnisse zur Entstehung, Stabilität und Dynamik von magnetischen Texturen in chiralen Magneten geliefert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Collective spin excitations of helices and magnetic skyrmions: review and perspectives of magnonics in non-centrosymmetric magnets, J. Phys. D: Appl. Phys. 50 293002 (2017)
M. Garst, J. Waizner and D. Grundler
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Observation of two independent skyrmion phases in a chiral magnetic material, Nat. Phys. 14, 936 (2018)
A. Chacon, L. Heinen, M. Halder, A. Bauer, W. Simeth, S. Mühlbauer, H. Berger, M. Garst, A. Rosch, and C. Pfleiderer
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Response of the Skyrmion Lattice in MnSi to Cubic Magnetocrystalline Anisotropies, Phys. Rev. Lett. 121, 187205 (2018)
T. Adams, M. Garst, A. Bauer, R. Georgii, and C. Pfleiderer
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Topological domain walls in helimagnets, Nat. Phys. 14, 465 (2018)
P. Schoenherr, J. Müller, L. Köhler, A. Rosch, N. Kanazawa, Y. Tokura, M. Garst, and D. Meier
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Weak Crystallization of Fluctuating Skyrmion Textures in MnSi, Phys. Rev. X 9, 41059 (2019)
J. Kindervater, I. Stasinopoulos, A. Bauer, F. X. Haslbeck, F. Rucker, A. Chacon, S. Mühlbauer, C. Franz, M. Garst, D. Grundler, and C. Pfleiderer
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Field-induced reorientation of helimagnetic order in Cu2 OSeO3 probed by magnetic force microscopy, Phys. Rev. B 102, 24426 (2020)
P. Milde, L. Köhler, E. Neuber, P. Ritzinger, M. Garst, A. Bauer, C. Pfleiderer, H. Berger, and L. Eng
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Hybridized magnon modes in the quenched skyrmion crystal, Phys. Rev. B 104, 144410 (2021)
R. Takagi, M. Garst, J. Sahliger, C. H. Back, Y. Tokura, and S. Seki
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Microwave Spectroscopy of the Low-Temperature Skyrmion State in Cu2 OSeO3 , Phys. Rev. Lett. 126, 17202 (2021)
A. Aqeel, J. Sahliger, T. Taniguchi, S. Mändl, D. Mettus, H. Berger, A. Bauer, M. Garst, C. Pfleiderer, and C. Back
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Screw dislocations in chiral magnets, Phys. Rev. Lett.
M. Azhar, V. Kravchuk, and M. Garst
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Topological magnon band structure of emergent Landau levels in a skyrmion lattice, Science 375, 1025 (2022)
T. Weber, D. M. Fobes, J. Waizner, P. Steffens, G. S. Tucker, M. Böhm, L. Beddrich, C. Franz, H. Gabold, R. Bewley, D. Voneshen, M. Skoulatos, R. Georgii, G. Ehlers, A. Bauer, C. Pfleiderer, P. Böni, M. Janoschek, and M. Garst