Mahl und Text - Die Interdependenz zwischen rituellen Transformationsprozessen des früh-christlichen Mahls und der handschriftlichen Textüberlieferung.
Final Report Abstract
Das Wissenschaftliche Netzwerk „Mahl und Text“ beschäftigte sich mit der Frage, ob und inwiefern sich in der Textüberlieferung neutestamentlicher und anderer frühchristlicher Mahltexte ritualgeschichtliche Entwicklungsprozesse widerspiegeln. Im Rahmen von sechs Arbeitstreffen untersuchten acht Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus der Theologie, der Gräzistik und der Alten Geschichte zusammen mit erfahrenen Experten Textpassagen bei Justin, in den Ignatiusbriefen, in der Didache und im Neuen Testament, die auf antike Mahlpraxis rekurrieren bzw. traditionellerweise als „die Eucharistie/das Abendmahl“ thematisierend verstanden werden. Durch die Forschungsarbeit des Netzwerkes konnte ein differenziertes Bild von der Relation der Überlieferungsgeschichte dieser Texte zur frühchristlichen Ritualgeschichte gewonnen werden. Während sich für die drei entscheidenden Kapitel in Justins 1. Apologie (65–67) eine begründete und für die weitere Forschung relevante Neueinschätzung der Textzeugen ergeben hat, konnte v.a. der der Befund in den Ignatiusbriefen und in der Didache die Arbeitshypothese des Wissenschaftlichen Netzwerkes bestätigen. Die Textüberlieferung zentraler Mahltexte ist durch ritualgeschichtliche Entwicklungs- und Transformationsprozesse beeinflusst worden. Gerade bei den Ignatiusbriefen und der Didache ermöglicht die Überlieferungslage einen ganz besonderen Einblick in die Prozesse der Textüberlieferung und redaktionellen Textüberarbeitung und -erweiterungen, die durchaus sehr umfangreich waren. Die Untersuchung der neutestamentlichen Mahltexte hat ergeben, dass diese in den Handschriften nicht gänzlich harmonisiert werden, sondern in der aller größten Mehrzahl der Handschriften textgetreu abgeschrieben werden. Der je individuelle Charakter der vier Textfassungen der Erzählung vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern in den synoptischen Evangelien und im 1Kor bleibt im Grundbestand erhalten. Auch Angleichungen von Abendmahlstexten an die Liturgie bzw. durch ritualgeschichtlichen Einfluss ist nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme, was die Untersuchung und Einordnung dieser Phäno-mene umso spannender macht. Es ist deutlich geworden, dass der konkrete Ort der Überarbeitung weniger die Texttransmission ist als vielmehr die redaktionelle Überarbeitung und Erweiterung der Texte und der Textsammlungen. Daraus folgt, dass die Eingriffe nicht einfach kontingent und mehr oder wenig spontan von individuellen Abschreibern vorgenommen werden. Dagegen ist davon auszugehen, dass ein Großteil der ritualgeschichtlich beeinflussten Textveränderungen und v. a. Erweiterungen redaktionellen Charakter haben und im Kontext bewusster, weit größerer Eingriffe in die Texte zu verstehen und zu untersuchen sind. Am Beispiel des Untersuchungsgegenstand des Netzwerkes ist deutlich geworden, dass Varianten in der Textüberlieferung gerade nicht nur im Hinblick auf das übliche textkritische Ziel der Rekonstruktion des Ausgangstextes zu untersuchen sind, sondern die Frage nach deren Genese als eigener Untersuchungsgegenstand ein spannendes und lohnenswertes Forschungsfeld darstellt.
Publications
- Essen und Trinken. Lebenswelten Der Bibel. Edited by Markus Öhler and Alexandra Grund. Gütersloh 2019
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(See online at https://doi.org/10.5040/9780567666420) - Das Problem von Kurz- und Langtext in Lk 22,17–20 und das für Marcion bezeugte Evangelium. Zugleich ein Beitrag zur methodischen Kritik an bisherigen Rekonstruktionen desselben, Novum Testamentum 62/2 (2020)
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(See online at https://doi.org/10.1163/15685365-12341649) - Wine, Water and the Missing Symposium in Justin’s First Apology, in: Vigiliae Christianae 2020
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(See online at https://doi.org/10.1163/15700720-12341443) - Chewing on the Eucharist or on the Gospel? The Background of Origen‘s Interpretations of John 6 and the Last Supper, erscheint in: Studia Patristica, angenommen
Künzl, Kevin