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Im Kontext transnationaler Migration untersucht das Projekt die historisch unterschiedlichen Formen von Gastfreundschaft und ihrer Grenzen.

Subject Area Social and Cultural Anthropology and Ethnology
Term from 2006 to 2009
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 32521921
 
Final Report Year 2012

Final Report Abstract

Die vorgenommene Ethnographie der Gastfreundschaft und ihrer alltäglich hergestellten Grenzen hat – am Beispiel der Insel Lampedusa – einen aktuellen Beitrag zur Untersuchung ‚undokumentierter’, transnationaler Mobilität geleistet, lokale Konflikte und Interessen deutlich gemacht und zugleich bestehende Defizite der Theoretisierung von Gastfreundschaft aufgezeigt. Deutlich wurde erstens, die fehlende Verzahnung theoretischer Perspektiven mit konkreten Handlungs- und Erfahrungsräumen vor Ort, seien diese Ansätze nun liberal-kommunitaristisch (John Rawls, Michael Walzer), kosmopolitisch (Seyla Benhabib) oder dekonstruktivistisch orientiert (Jacques Derrida). Zugleich wurden sowohl die grundlegenden Spannungen deutlich, die den Praktiken der Gastfreundschaft und der Aufnahme von ‚Fremden’ innewohnen (und ihnen einen Status zwischen ‚Freund und Feind’ anweisen), als auch die Entstehung eines transnationalen, antagonistischen politischen Raumes aufgezeigt, der Partizipation, Demokratie und Freiheit einklagt, die Länder des Maghreb und den ‚Arabischen Frühling’ mit Europa verbindet und einen Euro-Mediterranen Raum ‚von unten’ schafft. Zweitens konnte gezeigt werden, dass politischen Designs und Politiken – auch und gerade der EU –, die auf ‚effizientes border-management‘, die Kontrolle des Mittelmeerraumes, die Verschiebung und Exterritorialisierung (national-)staatlicher Grenzen in die ehemaligen Kolonien zielen und das Menschenrecht auf Mobilität einschränken, revidiert werden müssen. Undokumentierte Mobilität (Harga) ist ein tägliches Plebiszit gegen die politische, soziale und ökonomische Situation in den Ländern des Maghreb, aber auch eine Praxis individueller Freiheit und die Reichweite der Gastfreundschaft ein Teil von Gerechtigkeitsansprüchen und ihrer alltäglichen Aushandlung vor Ort. Das Projekt hat damit drittens, die Vernachlässigung von Handlungsmacht und Subjektivität in herkömmlichen akademischen Perspektiven auf ‚undokumentierte‘ Mobilitäten kenntlich gemacht, deren Augenmerk immer noch stark auf Makrostrukturen, ‚sending‘ and receiving countries’, mechanischen ‚push and pull factors‘ liegen und die lokale Arena, die alltäglichen Praktiken der Aufnahme von mobilen Menschen, entstehende Konflikte und Interessen, aber auch transnationale politische Aushandlungsprozesse aus dem Blick verlieren. Schließlich verweist die Untersuchung auf die bisher fast vollständige Vernachlässigung des produktiven, kulturellen und symbolischen Raumes, der die – politische – Imagination mobiler Menschen prägt und deren Handeln beeinflusst (dieser Aspekt wird jedoch einem Folgeprojekt vorbehalten sein). Nicht zuletzt wegen der Ereignisse des ‚Arabischen Frühlings’ im Jahre 2011 und der Ankunft von über 60.000 Menschen aus Tunesien und Libyen auf Lampedusa hatte das Projekt eine nicht unerhebliche Resonanz in den Medien. In 13 Interviews, einer Reportage und in zahlreichen publikumsnahen Vorträgen konnte das Projekt einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden und hat damit sicherlich zur Sichtbarkeit anthropologischer Forschung beigetragen. Ein kurzes Interview zu undokumentierter Mobilität ist in ein Schulbuch eingegangen (Lübbert u.a.: Anstöße Politik/Wirtschaft - Neubearbeitung/Ausgabe für Nordrhein-Westfalen und Schleswig- Holstein: Schülerbuch 3 - Klassen 9-10, Klett Verlag). Zugleich hat die Zusammenarbeit mit Künstlern (u.a. mit Thomas Killper und der ars electronica, Linz) dem Projekt weitere öffentliche Aufmerksamkeit verliehen. Mit einem Text (‚Terminal Zero’) ist das Projekt auch in der Installation ZeitRaum (Ars electronica Futurelab) am Flughafen Wien Terminal Skylink vertreten und wird – an einem Ort ‚erwünschter’ Mobilität – zur Auseinandersetzung mit ‚unerwünschter’ Mobilität einladen.

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