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Der Hamburger Diplomat und Orientalist Andreas David Mordtmann (1811-1879) als Zeitzeuge der spätosmanischen Geschichte und früher Vertreter der Disziplin der Osmanistik.
Antragsteller
Professor Dr. Yavuz Köse
Fachliche Zuordnung
Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung
Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 326176633
Im Zentrum des beantragten Projektes steht der Hamburger Orientalist und Diplomat Andreas David Mordtmann (1811-1879). Dieser kam 1846 als diplomatischer Vertreter der Hansestädte nach Istanbul und war nach seiner Entlassung 1859 als Richter beim osmanischen Handelsgericht und als Privatgelehrter tätig. Er hat vielfältige Schriften - Gesandtschaftsberichte, wissenschaftliche und journalistische Arbeiten, persönliche Briefe - hinterlassen, die wissenschaftsgeschichtlich und als bedeutende Quelle zur osmanischen Geschichte ausgewertet werden sollen. Dabei soll insbesondere die spezielle Perspektive, aus der er über die politischen und sozialen Umbrüche im Osmanischen Reich während der Periode der Tanzimat-Reformen (1839-1876) schrieb, herausgearbeitet werden. Als Diplomat vertrat er die Interessen der Hansestädte, zugleich brachten ihm seine ethnografischen und sozio-politischen Studien das Land, in dem er lebte, näher und führten ihm die oft fatalen Auswirkungen europäischer Interventionen vor Augen. Als Europäer im osmanischen Staatsdienst war er aktiv am Reformprozess beteiligt, über den er zugleich als Beobachter für ein deutsches Publikum berichtete. Diese Widersprüche führen dazu, dass seine politischen Analysen von einer grundlegenden Ambivalenz gegenüber europäischen wie inner-osmanischen Diskursen geprägt sind. Eine ähnliche Spannung, die aus der Nähe zum Forschungsgegenstand und der gleichzeitigen Distanz zum akademischen Betrieb in Deutschland erwächst, kennzeichnet auch seine wissenschaftliche Arbeit. Seine zahlreichen Publikationen basieren vor allem auf Wissen, das er durch Feldforschung im Rahmen von Exkursionen, durch das Studium zeitgenössischer osmanischer Publikationen und durch eine rege Sammlertätigkeit von Münzen, Bleisigeln und Handschriften gewann. Auch wenn ihm wegen dieser eher 'praktisch orientierten' Wissenschaft vor Ort von manchen Zeitgenossen der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit gemacht wurde, kann er retrospektiv doch als wichtiger Wegbereiter der Disziplin der Osmanistik gelten. Um Mordtmanns Positionierung im Dazwischen der Kulturen und Disziplinen analytisch zu fassen, sollen methodisch Ansätze der transkulturellen Selbstzeugnisforschung herangezogen werden. Zugleich soll seine Forschung konkret als soziale Praxis verstanden werden, die sich anhand der in gelehrten Netzwerken geführten Dispute und seiner zwischen Wissenschaft und Journalismus changierenden Publikationstätigkeit analysieren lässt. So soll Mordtmann als Zeitzeuge und Orientalist in einem breiteren wissensgeschichtlichen Kontext positioniert werden, um daraus weiterführende Fragen abzuleiten bezüglich der Formen und Kontexte, in denen im 19. Jahrhundert in Deutschland Wissen über 'den Orient' produziert wurde.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Österreich