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Detransitivität in den britannischen Sprachen: Reflexivität, Reziprozität und mediale Konstruktionen

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2016 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 328015460
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Projekt „Detransitivität in den britannischen Sprachen: Reflexivität, Reziprozität und mediale Konstruktionen“ wurden die Kodierung und diachrone Entwicklung der genannten Kategorien untersucht. Der Schwerpunkt lag auf dem Mittel- und Frühneukymrischen und umfasste die Zeit vom 12. bis zum Anfang des 17. Jhs. Im Kymrischen fehlt das sogenannte „Reflexivpronomen“ uridg. *s(u)e, das von zahlreichen ̯ europäischen Sprachen verwendet wird. Diese Lücke wurde durch mehrere neue Strategien gefüllt. Typologisch ungewöhnlich ist, dass einer der Marker, das verbale Präfix ym- auf eine die urkelt. Präposition *ambi- „herum, auf allen Seiten“ zurückgeht. Diese entwickelte zunächst zu einem Marker für Reziprozität und breitete sich dann auf weitere detransitive Kategorien aus. Der Grammatikalisierungspfad ist allerdings schwerer zu modellieren als bei der typologisch häufigeren Ausbreitung von Reflexivmarkern in andere detransitive Kategorien. Auszugehen ist vom Zusammenwirken und der gegenseitigen Beeinflussung verschiedener Faktoren wie Verbsemantik, Verbvalenz sowie verschiedener Konstruktionen zur Degradierung oder Unterdrückung nicht-topikalischerer Teilnehmer. Dies bestätigt die kognitiv und sprachlich enge Zusammengehörigkeit detransitiver Kategorien. Allerdings ist eine genauere Beschreibung dieser Entwicklung nicht möglich, weil die Vorstufen des kymrischen Systems nicht bekannt sind. Wünschenswert wäre der Vergleich mit den Entwicklungen in anderen Sprachen. Ein weiterer Projektschwerpunkt war die Untersuchung der Marker im Mittel- und Frühneukymrischen hinsichtlich ihrer Funktion und Frequenz. Diese stimmen weitgehend mit dem typologischen Befund überein, dass „leichte“ verbale Marker mediale Situationstypen kodieren, während „schwere“ pronominale Marker zum Ausdruck echter Reflexivität verwendet werden. Allerdings gibt es auch zahlreiche Abweichungen von diesem Schema, die auf frühe Lexikalisierungen sowie semantische Spezialisierungen einzelner ym-Verben zurückzuführen sind. Teilweise ist der Befund auch mehrdeutig: Einerseits ist ym- in den bekannten Funktionen weiterhin produktiv, während es andererseits in einigen Fällen mit einem unabgeleiteten Verb + X hun synonym ist. Außerdem wurde untersucht, inwieweit bei der Entwicklung dieser Strategien der Sprachkontakt mit dem Englischen eine Rolle spielt. Klar abzulehnen ist die Hypothese, dass die Verwendung des Intensivums X-self als Reflexivmarker aus dem Kymrischen oder Britannischen in Englische übernommen wurde und ein Beispiel für „strukturelle Entlehnung“ darstellt. Während im 16. und frühen 17. Jh. reflexives X-self im Englischen weitgehend generalisiert ist, sind im Kymrischen immer noch überwiegend die verschiedenen, aus der mittleren Sprachstufe bekannten Marker in Gebrauch. Obwohl in dieser Zeit die Verwendung von reflexivem X hun langsam zunimmt, konnten in Übersetzungen aus dem Englischen keine Belege gefunden werden, bei denen die Annahme einer „strukturellen Entlehnung“ wahrscheinlich ist. Lediglich in Smyth’s Gorsedd y byd (1615) wäre dies denkbar, allerdings ist in diesem Fall die Kontaktsprache nicht Englisch, sondern Französisch. Dass L2-Sprecher den pronominalen Marker der Kontaktsprache imitieren, zeigt das Bretonische. Hier wurde das verbale Präfix in Kombination mit einem Pronomen zu einem „Reflexivpronomen“ umgedeutet. Der Umfang der strukturellen Konvergenz mit dem Französischen fällt jedoch regional und möglicherweise auch individuell sehr unterschiedlich aus. Die gehobene Sprache und der Schriftstandard konservieren das ältere System.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2017: “Detransitive strategies in Middle Welsh: The preverbal marker ym-”. In: Referential Properties and Their Impact on the Syntax of Insular Celtic languages. Eds. Erich Poppe, Karin Stüber & Paul Widmer. Münster, Nodus: 91-134
    Irslinger, Britta
  • “Reflexive marking in English and Welsh: the “contact hypothesis” revisited”. Workshop 8: English as a syntactic outlier. 20th International Conference on English Historical Linguistics. Edinburgh, 27 – 31 August 2018
    Irslinger, Britta
  • “Tradition and innovation in Welsh detransitive markers: the spread of X hun”. 26. Konferenz der Gesellschaft für Sprache und Sprachen. Montpellier, 5. – 7. April 2018
    Irslinger, Britta
  • “Detransitive voice in Modern Breton: verbs with en em”. Societas Linguistica Europaea – 52nd Annual Meeting. Leipzig, 21 August – 24 August 2019
    Irslinger, Britta
  • “The functions of Welsh X hun(an) in 16th and 17th century texts”. XVIth International Congress of Celtic Studies. Bangor, 22 – 27 July 2019
    Irslinger, Britta, Henrik Hornecker
  • 2020: “The functions and semantics of Middle Welsh X hun(an): A quantitative study”. In: Morphosyntactic Variation in Medieval Celtic Languages. Eds. Elliott Lash, Fangzhe Qiu & David Stifter. Berlin, De Gruyter: 269-312
    Irslinger, Britta
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110680744-011)
 
 

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