Modellierung und Simulation von Reaktionen an Grenzflächen von Polymerschmelzen zur Verbundbildung
Final Report Abstract
Beim grenzflächenreaktiven Zweikomponentenspritzgießen wird durch Reaktionen in der Grenzschicht zwischen zwei Kunststoffen eine Verbundbildung erzielt. Ggf. wird dazu eine ultradünne Schicht eines reaktiven Haftvermittlers benötigt. In der Praxis zeigte sich, dass das nur bei manchen Kombinationen erfolgreich war. Wegen der schnellen Abkühlung nach Kontakt der Schmelze mit der kalten ersten Komponente muss die Verbundbildung sehr schnell erfolgen. Die hohe Abkühlgeschwindigkeit ist eine Folge der geringen Dicke (wenige Nanometer) der an Verbundbildungen beteiligten Grenzschicht. Daher sind Reaktionen zu finden, die in der geringen Zeit zu einer Verbundbildung führen. Im Projekt wurden unterschiedliche Reaktionen in der Grenzschicht zwischen Polymerschmelzen mit Hilfe des Bond Fluctuation Models untersucht. Jede Polymerkette enthielt zu Beginn 32 Monomere. Es wurden in der Kunststoffverarbeitung weit verbreitete Einspaltungsreaktionen (Polykondensate) simuliert. Die Konzentrationen der reaktiven Monomere waren hoch, um die Effekte herauszuarbeiten. Charakteristisch dafür ist, dass eine polymergebundene funktionelle Gruppe eine andere Polymerkette spaltet und dabei den einen entstehenden Zweig unter Bildung eines Copolymers bindet. Je nach Position der funktionellen Gruppe entstehen lineare oder verzweigte Copolymere. Der Einfluss dieser Position (Split-End: Endstellung, Split-Mid: Mitte der Kette, Split-Ran: zufällig angeordnet) und der Aktivierungsenergie (EA=0..7 kT) wurden untersucht. Als Beispiel für eine komplexe Reaktion diente eine katalytische Reaktion bei unterschiedlichen EA und Katalysatorkonzentrationen. Die Beurteilung der Reaktionen erfolgte anhand der Umsatz- Zeit-Kurven und der entstehenden Produkte. Konfigurationen während der Simulation und zum Simulationsende wurden hinsichtlich der Festigkeit unter Nutzung unterschiedlicher Konzepte statisch ausgewertet. Der Umsatz bei kurzen Zeiten war nahezu unabhängig von der Position. Bei längeren Zeiten war die Reihenfolge Split-End>Split-Ran>Split-Mid. Beim Reaktionstyp Split-All waren alle Positionen reaktiv. Diese Reaktionen verliefen um ein Vielfaches schneller. Ein Reaktions- Diffusions-Modell wurde aufgestellt und mit Daten aus den Simulationen angepasst. Die Übereinstimmungen waren gut. Am Beispiel einer komplexen katalytischen Reaktion wurde gezeigt, dass auch diese Reaktion zumindest qualitativ beschrieben werden konnte. Durch die Reaktionen entstanden unsymmetrische Verteilungen der Kettenlängen. Auf der einen Seite der Grenzschicht bildeten sich unsymmetrische Di- und Triblockcopolymere. Die andere Seite der Grenzschicht war durch kurze Fragmente der gespaltenen Kettenart gekennzeichnet. Erstaunlicherweise waren die reagierten funktionellen Gruppen der Copolymere senkrecht zur Grenzfläche eng verteilt. Dabei konnten Maxima von Di- und von Triblockcopolymeren sogar deutlich unterschieden werden. Bei Split-All entstanden Riesenmoleküle mit bis zu 6000 Monomeren, die offenbar wegen ihrer geringen Beweglichkeit weitere Reaktionen behinderten, sowie viele sehr kurze Fragmente. Die statischen Festigkeitsfunktionen zeigten vor Reaktionsbeginn ein Minimum in der Grenzschicht. Nach den Reaktionen bildeten sich unsymmetrische Maxima, die über eine Länge > 1 RG in das Phaseninnere reichten. Die Höhe der Funktion war durch die hohen Konzentrationen bedingt. Die Unterschiede zwischen Split-End, Split-Mid, Split-Ran und Split-KatEnd waren gering. Bei Split-All war die Funktion symmetrisch. Es kann daher geschlussfolgert werden, dass die Reaktion Split-All am besten zur Verbundbildung geeignet ist, sowohl was die Reaktionsgeschwindigkeit als auch die statische Festigkeitsfunktion angeht. Dynamische Festigkeitsuntersuchungen stehen noch aus und sollen die Schlussfolgerung erhärten.
Publications
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Compatibilization in Two-Component Injection Molding by Means of Split Type Reactions Exhibiting Differently Located Reactive Sites - a Monte Carlo Simulation Study
Andreas John, Jürgen Nagel, Gert Heinrich