Action, Operation, Gesture: Technology as Interdisciplinary Anthropology
Practical Philosophy
Final Report Abstract
Das Projekt hat die Bedeutung der französischen Kontroverse um den "homo faber" zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Ausgangspunkt genommen, um die Bedeutung und Aktualität des Begriffs in den gegenwärtigen Debatten der Medien-, Technik- und Kulturtheorie aufzuzeigen. Anstelle einer postphänomenologischen, eher am Pragmatismus orientierten Technikphilosophie, rückt das Alleinstellungsmerkmal der französischen Tradition der Technikphilosophie- und Anthropologie in den Vordergrund: Technischen Objekte werden als Teil lebendiger Prozesse dargestellt und beschrieben. Sie sind somit Teil einer vitalen Normativität. Zwar suggeriert der "homo faber", dass der Mensch getrennt von den technischen Objekten existiert, aber der Fokus auf die lebendigen Praktiken mit technischen Objekten zeigt, dass die Trennung selbst ein epistemisch-technischer Akt ist, um diese zum Gegenstand machen zu können. Der Mensch wird als Lebewesen inmitten von natürlichen, sozialen und technischen Umwelten beschrieben, dessen Praktiken Fremdes in Eigenes verwandeln, um im Technischen ein Medium zwischen Natur und Mensch zu schaffen. In diesem Sinne ist die Technologie als interdisziplinäre Anthropologie eine Methode, um die philosophischen Bedingungen der Möglichkeit technischer Existenzweisen zu entdecken, die gerade auch die Beziehung des Menschen zur Technik im digitalen Zeitalter zu verstehen sucht. Dabei wurde an Versuche angeschlossen, die die Berechenbarkeit des Verhaltens der Konsument:innen durch Algorithmen kritisch gegenübersteht. Die Konzeption des "homo faber" und des technischen Objektes bei Gilbert Simondon wurde so aktualisiert: Zwar sind die Grundprinzipien der Kybernetik und der Informationstechnologie auch heute noch maßgeblich für die Entwicklung von Hard- und Software, aber die Produktionsbedingungen und die Verbreitung der smart tools haben sich radikal verändert. Dies führt zu einem veränderten Verhältnis des Menschen zur Technik im postindustriellen Zeitalter. Der Mensch bildet mit seinen smart tools ein Ganzes, das auf eine bereits gestaltete Wirklichkeit zugreift und in diesem handelt. Die wechselseitige Durchdringung des Technischen und Sozialen im Lebewesen wurde auch anhand der Biotechnologie der Car-T-Zellen Therapie thematisiert. Das technische Netzwerk, das notwendig ist, um Designer-CAR-T Zellen herzustellen, ermöglichte eine zweite Anwendung der Technologie als interdisziplinäre Anthropologie: Das technische Objekt ist weder länger eine Extension des Körpers, wie noch bei Espinas und Bergson, noch eine kristallisierte Geste, die einen eigenständigen Seinsmodus außerhalb unseres Körpers besitzt. Designer CAR T-Zellen bestehen aus lebendigem Material, das extern technisch verändert wurde und dann wieder Teil des Organismus wird, um eine Funktion zu erfüllen, die das Immunsystem der Krebspatient:in alleine nicht mehr leisten konnte. Das Subjekt des Krebspatienten ist in unterschiedlichen Formen als Patient, als Blutkonserve, als Zelle, als nano-technologisch veränderter "Killer" in jedem Schritt anwesend. Es tritt so in diesem Prozess zu sich selbst in eine andere Beziehung, die über die verschiedenen Stufen des biotechnischen immer wieder neu soziotechnisch vermittelt wird.
Publications
- Mechanik, Mystik und stumme Intelligenz: Doch eine Homo faber-Story. Zeitschrift für Kulturwissenschaft Heft 2/2018, pp. 83-99.
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Schick, J.F.M.
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(See online at https://doi.org/10.5840/techne2021723144) - Vom Analogen zum Digitalen und zurück: Zur technischen Geste.
In: Mitscherlich, Olivia (Hg.) (2021), Grenzgänge. Studien in philosophischer Anthropologie, Bd. III: Das Gelingen der künstlichen Natürlichkeit. Mensch-Sein und menschliche Würde an den Grenzen des Lebens unter den Bedingungen disruptiver Technologien, Berlin: de Gruyter, 2021, pp. 369-390.
Johannes F.M. Schick
(See online at https://doi.org/10.1515/9783110756432-018) - „Mein fremder Killer in mir“: Menschen, Organismen und Designer CAR-T Zellen
In: DZWIZA, E./SPEER, A. (Hg.) (2021), Philosophische Anthropologie als interdisziplinäre Praxis, Paderborn: Brill/mentis, pp. 364-384.
Johannes F. M. Schick
(See online at https://doi.org/10.30965/9783969752340_021) - ‘Let’s dare a little bit of metaphysics’: Marcel Mauss, Henri Hubert and Louis Weber on the Categories of Causality, Time and Technology, in: Schick, J./Schmidt, M./Zillinger, M. (Hg.), The Social Origins of Thought: Durkheim, (Mauss) and the Category Project, New York/Oxford: Berghahn Books, 2022, pp. 207-225.
Schick, J.F.M.
(See online at https://doi.org/10.3167/9781800732339)