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Der Phasmatodea Tree of Life: Aufdeckung evolutionärer Muster von artlicher und morphologischer Diversität in einer mesodiversen Insektenlinie

Fachliche Zuordnung Systematik und Morphologie der Tiere
Förderung Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 337291343
 
Erstellungsjahr 2024

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Stab- und Gespenstschrecken, oder Phasmatodea, sind eine mäßig diverse Gruppe großer pflanzenfressender Insekten mit weitgehend tropischer und subtropischer Verbreitung. Sie sind gewöhnlich nachtaktiv und in bemerkenswerter Weise zur Mimese befähigt und imitieren zur Täuschung visuell jagender Räuber Pflanzenteile wie Zweige, Rinde und Blätter. Die Phasmatodea umfassen etwa 3500 rezente Arten und dienen als Modellorganismen für zahlreiche evolutionsbiologische Fragestellungen. Lange Zeit galten sie als eine der letzten Insektenordnungen, für die keine verlässliche phylogenetische Hypothese existierte. Unsere jüngsten molekularen Studien basierend auf umfangreichen Transkriptom- und Sanger-Sequenzdaten konnten nun die evolutiven Beziehungen dieser Insekten weitgehend aufklären und die Annahme bestätigen, dass deren heutige Diversität das Ergebnis einer erstaunlich jungen Radiation ist. Unsere zeitlich kalibrierte phylogenetische Analyse fußt auf einer Auswahl von über 1000 repräsentativen Arten. Für einige wichtige Taxa erzielten wir allerdings weiterhin widersprüchliche Ergebnisse aufgrund unzureichender Datenlage. Um deren Verwandtschaftsbeziehungen verlässlich aufklären zu können, erweiterten wir unser methodisches Repertoire um Target Enrichment, eine Methode, die die Sequenzierung Hunderter Gene für ausgewählte Spezies unseres Datensatzes erlaubte. Wir deckten hierbei je eine zuvor nicht bekannte artenreiche Neu- und Altweltlinie auf, die zusammen den größten Teil aller bekannten Stab- und Gespenstschrecken umfassen und für die wir die neuen Namen Oriophasmata („Östliche Phasmiden“) und Occidophasmata („Westliche Phasmiden“) einführten. Der erhaltene Stammbaum liefert den evolutiven Rahmen für (i) die Rekonstruktion der globalen Phylobiogeographie der Phasmatodea, (ii) der Bestimmung von Speziationsund Extinktionsraten, (iii) der Ermittlung anzestraler Zustände und Transformationen von Merkmalen, die für adaptive Radiationen bedeutsam sind, sowie (iv) der Identifizierung zahlreicher unbeschriebener Arten, die zur taxonomischen Beschreibung von mehr als zwei Dutzend neuen Arten führte. Unsere Analysen deckten ein hohes Maß an konvergenter Evolution von Fortpflanzungsstrategien, tarsalen Haftstrukturen und zahlreichem Ökomorphen auf. Das viel diskutierte Szenario eines Flügelverlustes bei der Stammart der rezenten Stabschrecken und dem wiederholten Neuerwerb von Flügeln in subordinierten Linien konnten wir bestätigen. Die Evolution der Ocelli bei Insekten gilt als eng gekoppelt an die Flugfähigkeit, jedoch fehlen Ocelli bei der Mehrheit geflügelter Phasmatodea und treten ausschließlich in einigen wenigen phylogenetisch untergeordneten Gruppen auf, was somit die Hypothese von deren Rückerwerb und der evolutiven Merkmalsumkehr generell bekräftigt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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