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Edition des Briefwechsels zwischen Albrecht Ritschl und Adolf Harnack mit einer einleitenden Darstellung der Theologie und der Geschichte der Ritschlschen Schule

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2006 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 34220275
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ein wichtiges Rahmenelement der Theologiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ist der Gegensatz zwischen Rationalismus und Supranaturalismus. Das zeigt sich an den Werken der systematischen Theologen des 19. und der Theologiehistoriker des 20. Jahrhunderts. Sowohl Emanuel Hirsch als auch Jan Rohls und Eckhard Lessing behandeln die beiden Begriffe als Leitkategorien. Allerdings gibt es hier Diskrepanzen: Hirsch stellt Ritschl als den Vertreter einer neuen Form der supranaturalistischen Vermittlungstheologie dar und seinen Schüler Adolf Harnack als einen liberalen Theologen in der Wirklinie des Rationalismus. Bei Rohls bleibt die Zuordnung der Ritschlianer unbestimmt, Lessing fasst die Ritschlschule insgesamt als eine Variante der liberalen Theologie auf. Ritschl schloss sich der Tübinger Schule an, allerdings nur als Literarkritiker der neutestamentlichen Schriften und auf der Basis eines supranaturalistischen Hegelianismus. Er trug sich mit dem Gedanken einer schriftstellerischen Behandlung des Gegensatzes von Rationalismus und Supranaturalismus. Erst relativ spät stellte sich heraus, dass Baur eher dem spekulativen Rationalismus zuzuordnen war, und nach seinem Tod kam es zu einem literarischen Schlagabtausch zwischen Ritschl und Baurs Schwiegersohn Eduard Zeller. Ritschl versuchte, eine supranaturalistische Position gegen Baur und Zeller zu entwickeln, aber dies gelang ihm nicht in überzeugender Weise. In Ritschls Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung (1870-1874) und in seinem "Unterricht in der christlichen Religion" (1875) war die supranaturalistische Grundlage zu greifen, ja, Ritschl stellte sich selbst sogar in die Tradition der älteren, supranaturalistischen Tübinger Schule von Gottlob Christian Storr. Allerdings rückte Ritschl diese Züge nicht in den Vordergrund seiner Bücher. Der Grund dafür ist nicht eindeutig zu bestimmen. Entweder hatte er von der Auseinandersetzung mit Zeller her die Empfindung, er habe keine durchschlagende Begründung für den Supranaturalismus gefunden; oder aber, er schärfte das supranaturalistische Profil deswegen nicht, weil in den 1860er Jahren und noch kurz danach die wichtigste Frontstellung in der Theologie die zwischen lutherischer Orthodoxie einerseits und der nichtorthodoxen Vermittlungstheologie und der liberalen Theologie andererseits verlief. Trotz seiner Auseinandersetzung mit der Tübinger Schule wurde Ritschl von vielen liberalen Theologen in Anspruch genommen für die gemeinsame anti-orthodoxe Gemeinschaft. Adolf Harnacks theologischer Ausgangspunkt war der lutherische Konfessionalismus seines Vaters, des Lutherforschers Theodosius Harnack. Dies lässt sich anhand Adolf Harnacks studentischer Preisschrift über Markion deutlich machen. Er setzte sich aber gegen Ende des Studiums von der Dorpater Fakultätstheologie ab wie viele seiner Kommilitonen (beispielsweise brach ungefähr gleichzeitig Johannes Huene sein Studium in Dorpat aus diesem Grunde ab und wurde später doch Lehrer an der Basler Predigerschule – nicht einmal für dogmatisch milden Pietismus war in Dorpat Platz!). Ritschls Theologie wurde zu Harnacks wichtigster Orientierungsmarke – und zwar seine Dogmatik nicht minder als die historischen Arbeiten. Ritschls Unterricht in der christlichen Religion stand „im Zentrum“ von Harnacks Denken. Diese Selbstaussage lässt sich verifizieren. Die Diskussion von Ritschls dogmatischer Skizze nimmt viel Raum im Briefwechsel der beiden Theologen ein. Das Verhältnis zwischen Ritschl und Harnack geriet in den späten 80er Jahren in eine Krise. Harnack drängte den Älteren dazu, sich deutlicher zur theologischen Erbe der Aufklärung zu bekennen. In den Neuauflagen des Unterrichts in der christlichen Religion machte Ritschl aber zunehmend sein aufklärungskritisches Profil deutlicher. Harnack kritisierte dies in seiner Rezension des Werkes und warf Ritschl darin zu starken Traditionalismus vor. Der dadurch entstandene Bruch wurde nur notdürftig gekittet. Harnacks Vorlesungen über "Das Wesen des Christentums" (1900) entfalteten das Programm, das Harnack in seiner Ritschl-Rezension als Alternative zum Unterricht aufgestellt hatte. Unter systematischen Gesichtspunkten ist das Wesen des Christentums nicht gelungen, es finden sich zu viele argumentative Brüche und Verwerfungen. Allerdings hat Harnack es vermocht, wesentliche Ritschlsche Theologumena (Berufsbegriff, Frömmigkeit, Ethik) auf einer spekulativ-rationalistischen Grundlage zu rekonstruieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Die Reorganisation der Theologischen Fakultät der Universität Straßburg im ersten Jahrzehnt nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71. Adolf Harnack, Paul Lobstein und andere „bekenntnistreue Lutheraner“ als Gegengewicht zu Heinrich Julius Holtzmann, in: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte 14 (2007), 191-237
    Joachim Weinhardt
 
 

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