Epic Fear. Affect and Emotion in the Argonautica of Valerius Flaccus
Final Report Abstract
Insbesondere in den letzten Jahren haben sich Emotionen (und die damit verbundenen kognitiven Prozesse) als Gegenstand des Forschungsinteresses immer mehr auch in den Blick der Altertumswissenschaften bewegt. In diesen Forschungsdiskurs ordnet sich auch die geförderte Habilitationsschrift ein, die die Bedeutung von literarisierten Emotionen – insbesondere die der Angst – für das lateinische Epos "Argonautica" des flavischen Dichters Valerius Flaccus herausarbeitet und somit auch einen Beitrag zu einer Kulturgeschichte der Angst bzw. einer Psychologie der Antike leisten möchte. Einer der beiden thematischen Schwerpunkte, die während des Förderungszeitraums bearbeitet wurden, ist die Bedeutung von Emotionen auf der Ebene der Werkkomposition und der poetischen Technik des Valerius. In Form von "close readings" und unter Auswertung des im Text vorhandenen auf Emotionen bezogenen Wortmaterials wurde analysiert, welche Bedeutung insbesondere der Angst für die Motivation und das Fortschreiten der Handlung sowie die Gliederung bzw. Abgrenzung von Episoden und Szenen zukommt. Dabei konnte eine Vielzahl von Gestaltungsschemata herausgearbeitet werden, deren Kenntnis das Verständnis der „Architektur“ dieses Werkes auf der Makro- wie der Mikroebene erheblich vertieft und für neue intratextuelle Zusammenhänge sensibilisiert. Als Beispiele hierfür können u.a. einheitsstiftende Verbindungslinien zwischen Szenen und Episoden beider Werkhälften sowie "emotionale Ringkompositionen" genannt werden, ferner die Gestaltung von Episoden, in denen der Angst ein geradezu leitmotivischer Charakter zukommt, sowie eine ganze Reihe von Szenentypen, für die nachgewiesen werden konnte, dass in ihnen die Entstehung, Entwicklung und ggf. Überwindung von Emotionen die Handlung jeweils in auffällig vergleichbarer Weise strukturiert. Auch das literarische Spiel des Autors mit möglichen alternativen Handlungsverläufen wurde gerade in der Synopse derartiger Szenen erkennbar. Ferner konnte nachgewiesen werden, dass Emotionen auch unter narratologischer Perspektive eine wichtige Rolle spielen, insofern z.B. Fokalisierungen sowie Neueinsätze oder Ortswechsel innerhalb der Handlung mit Angstlexemen verknüpft sein können. Der andere im Förderungszeitraum behandelte thematische Schwerpunkt transzendiert die intratextuelle Interpretation des Werkes, indem Praetexte anderer Epiker im Hinblick auf die in ihnen dargestellten Emotionen mit relevanten Valeriusszenen, in denen Angst thematisiert wird, verglichen wurden. Dabei wurde ein eher restriktiver Praetextbegriff zugrunde gelegt; die Analyse der primär aus Homer, Apollonios Rhodios und Vergil stammenden Praetexte erfolgte ebenfalls in "close readings". Beim Vergleich motivisch ähnlicher Szenen (z.B. analoge Personenkonstellationen oder ähnliche Handlungselemente) konnte immer wieder gezeigt werden, dass sich bei Valerius im Gegensatz zu den Praetexten eine Hinzufügung, Explizierung, Intensivierung oder feinere Nuancierung der (auch prozesshaft entfalteten) Emotion Angst findet. Somit treten nun die spezifischen Gestaltungsentscheidungen des Valerius viel klarer hervor und können interpretatorisch fruchtbar gemacht werden. Dadurch, dass viele zentrale Fragen der Valeriusforschung (z.B. Götterkonzeption, Weltbild, Heldenethos u.v.m.) durch ein genaueres Verständnis der emotionalen Textur dieses Epos – gerade auch im Kontrast zu seinen Praetexten – neue Impulse erhalten können, werden die im Förderungszeitraum und darüber hinaus durchgeführten Untersuchungen auch für die Forschung zu Valerius und zum antiken Epos insgesamt relevant.
Publications
- „Re-Emotionalisierung, Re-Evaluierung, Re-Kontextualisierung“: Valerius Flaccus und seine epischen Vorgänger. Eine Fallstudie in: Glückhardt, Thorsten; Kleinschmidt, Sebastian; Spohn, Verena (Hg.) (2019): Renarrativierung in der Vormoderne: Ergon Verlag.
Schirner, Rebekka
(See online at https://doi.org/10.5771/9783956505140-67)